Jedes Jahr wieder ist es spannend: Kommen die Wale zurück in die nordnorwegischen Fjorde?
In einigen Fjorden Nordnorwegens ist alljährlich ein Spektakel zu erleben: die Rückkehr der Wale. Schwert- und Buckelwale, Finn- und mitunter sogar Pottwale folgen im Frühwinter den Heringen, die aus der Barentssee in die nordnorwegischen Fjorde schwimmen. Dort gibt es dann ein Fest, nicht nur für die Tiere: Walbeobachter freuen sich über ein ungewöhnlich dichtes Vorkommen der Meeressäuger, die sich sehr gut beobachten lassen.
In diesem Jahr lautet die frohe Botschaft: Juhu, sie sind da! Und zwar ungewöhnlich früh; schon Anfang Oktober kamen die ersten Wale nach Kvænangen, den Fjord östlich des kleinen Orts Skjervøy. Dort ist seit einigen Jahren der feste Wal-Spot, der zuvor noch deutlich weiter südlich, näher an Tromsø lag. Auch daher kommt jedes Jahr die gespannte Frage: Kommen sie wieder nach Kvaænangen, oder haben sie beschlossen, noch weiter nach Osten zu ziehen?
Da die ersten Orcas nun schon in den ersten Oktobertagen zu sichten waren, anstelle wie sonst Ende Oktober bis Mitte November, drängt sich natürlich eine neue Frage auf: Hat sich nicht der Ort, sondern die Zeit verschoben? Gehen sie auch früher wieder? Normalerweise bleiben die Tiere bis Mitte Januar, manchmal Ende Januar. Wenn sich nun die Periode nicht verlängert, sondern verschoben hat, könnte das vielleicht auch ein Ende der Walsaison schon vor Weihnachten bedeuten? Man weiß es nicht. Das ist ja das Spannende an Tieren, man weiß es nicht, was sie so vorhaben, und mit ihnen planen, das ist immer so eine Sache.
Warum aber kommen die Wale überhaupt in die Fjorde? Das ist ganz einfach, bei Tieren geht es ja immer entweder um Nahrung oder Fortpflanzung oder beides, die Wale also folgen, wie gesagt, dem Hering. Und der ist es auch wert, dass man ihn sich mal näher anschaut: Der Hering ist ein Schwarmfisch, der in Tiefen bis 350 Metern lebt. Er kommt im ganzen Nordatlantik und auch in der Nord- und Ostsee vor. Ein Hering, sofern er nicht vorher gefangen wird, kann ganze 25 Jahre alt werden. Er ist schlank, wird fast einen halben Meter lang und bis zu einem Kilo schwer, meistens bleibt er aber leichter.
Kein kleiner Fisch aber, und deswegen enorm wichtig in der Nahrungskette. Er selbst frisst als junger Fisch zuerst Phytoplankton, also Algen, später steigt er auf Zooplankton um, Fischlarven, Schnecken oder kleine Krebstierchen, auch kleine Fische verschmäht er nicht. Dabei setzt dem Hering auch Mikroplastik zu, denn er filtert sein Futter aus dem Wasser, und wenn Plastik dabei ist, hat er hierfür leider noch keine körpereigene Sortieranlage. Tagsüber ist er eher in tieferen Wasserschichten zu finden, aber nachts steigt er nach oben: Er folgt einfach seinem Futter, das nachts an die Oberfläche steigt.
Der Hering selbst wiederum wird dann von verschiedenen größeren Fischen und Säugern gefressen: von Dorscharten, Thunfischen, Makrelen, Robben und Walen – und dem Menschen natürlich; der Hering ist einer der wichtigsten Speisefische der Welt. Und das sieht man in den Fjorden Nordnorwegens, die sich alljährlich wegen des Herings füllen: Die Wale, die Fischer, die Touristen, alle sind sie hier, weil der Hering sich diese Buchten für seine Winterruhe ausgesucht hat.
Weil diese Fjorde relativ übersichtlich sind, ergeben sich hier gewaltige Möglichkeiten für Walbeobachter: Große Orcaschulen umkreisen die Heringsschwärme, erwachsene Schwertwale lehren ihren Nachwuchs, wie man in der Gruppe jagt, dazwischen zeigen Buckelwale ihre Fluken – das und mehr lässt sich in Nordnorwegen erleben. Das hat in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass die Zahl der Walbeobachter recht drastisch angestiegen ist, darunter auch Schnorchler und Taucher, die besonders nah an die Säuger herankommen wollen. Das wiederum führt manchmal dazu, dass ein friedliches Beobachten kaum noch möglich ist, und die Tiere vermutlich langsam ziemlich gestresst sind.
Sind sie deswegen früher als sonst in die Fjorde gekommen? Bevor die Masse der Walschiffe hier sind? Zuzutrauen wäre es den Meerestieren, die allesamt schlauer sind, als wir es ihnen zutrauen. Es bleibt also spannend!
Bis in zwei Wochen!
Eure
Birgit Lutz
PS: Meine beiden Reisen mit der SV Meander nach Nordnorwegen sind 2024 zwar schon lang ausgebucht – aber 2025 sind es noch ein paar Kabinen frei! Wieder veranstalten wieder zwei Reisen, Ende November und Anfang Dezember. Wer mitkommen möchte, zu den Heringen, Walen und Nordlichtern, kann Näheres hier finden: https://www.polar-schiffsreisen.de/reise/wale-nordlichter-mit-birgit-lutz-auf-der-sv-meander