Was muss ich machen, wenn ich in diesem Winter Polarlichter in Deutschland sehen oder fotografieren möchte? Nach einigen grundlegenden Erklärungen in der vergangenen Kolumne geht es heute um die Praxis.
Wer diesen Winter Polarlichter fotografieren möchte, hat in Deutschland recht gute Chancen. Ein bisschen anstrengen muss man sich dafür allerdings schon. Mir sind schon ein paar „Beweisfotos“ gelungen, und hier verrate ich Euch, wie ich das angestellt habe.
Es gibt diverse Apps, die Polarlicht vorhersagen und dabei vor allem den kp-Index nennen.
Der kp-Index beschreibt die Störung des Erdmagnetfelds durch den Sonnenwind: Je schneller der Sonnenwind weht, umso höher ist die Aktivität, umso höher die Wahrscheinlichkeit für Nordlichter. Der Index geht dabei von 0 bis 9, 0 für geringe Aktivität bis 9, was schon einen sehr intensiven geomagnetischen Sturm anzeigt.
Ich habe in einer dieser Apps immer Orte in Nordnorwegen eingestellt. Steigt der kp-Wert in der Vorhersage auf 6 oder 7 an, fange ich an, genauer nachzuschauen. Es gibt eine sehr gute Internetseite, die Polarlicht-Vorhersage Deutschland. Dort wird die Aktivität der Sonne beobachtet, und es gibt ein ganzes Netzwerk an Aurora-Jägern, die sofort bekanntgeben, wenn Polarlicht tatsächlich zu sehen ist. Auf der Facebookseite dieser Webseite geht es immer noch etwas schneller.
Das ist die Internetseite: https://www.polarlicht-vorhersage.de; unter dem gleichen Namen ist sie auf Facebook zu finden.
Wenn der kp-Wert in der App hoch ist und auf der genannten Vorhersage-Seite eine hohe Wahrscheinlichkeit vorhergesagt wird, lohnt es sich, seine Kamera-Ausrüstung bereit zu legen. Ich schaue dann am Abend erstmal einige Webcams in meiner Nähe an, bei mir sind das die von Zugspitze und Wendelstein. Wenn auf deren Bildern Nordlichter zu sehen ist – dann braucht es nur noch einen wolkenlosen Himmel über meinem Standort, oder zumindest Löcher in den Wolken, und es kann losgehen.
Für eine erste Prüfung kann man einfach mit seinem Mobiltelefon den Himmel fotografieren, wichtig ist dabei: Richtung Norden. Da wir so weit südlich sind, sind die Lichter hier tatsächlich nur im Norden zu sehen; das ist in Norwegen manchmal anders.
Die Kamera sieht das Nordlicht auf jeden Fall früher als unser Auge. Mit den neuesten Mobiltelefon-Kameras kann man, sofern man ganz stillhält oder das Handy auf ein kleines Stativ montiert, auch schon tolle Bilder erzielen, wichtig hier natürlich: Blitz ausschalten! Erstens gibt es keine Nordlichtfotos, zweitens verblitzt man sich wieder die mühsam ans Dunkle gewöhnten Augen. Bei vielen dieser Kameras stellt sich im Nachtmodus automatisch eine längere Verschlusszeit ein. Bei drei Sekunden habe ich schon gute Bilder gemacht, aber das kann man manuell auch verändern.
Wer professionellere Fotos machen möchte, sollte sich einen möglichst dunklen Ort mit wenig Streulicht suchen. Einfach irgendeinen Acker, beispielsweise, oder eine dunkle Ecke im Garten. Wenn man eine Weile im Dunklen steht, gewöhnen sich die Augen bald an die Dunkelheit und man sieht das Polarlicht auch mit bloßem Auge.
In Schliersee konnte ich das Polarlicht im vergangenen Oktober zwischen den Wolken sehr deutlich sehen, der Himmel leuchtete richtig rot. Ich war schon vorgewarnt, deswegen erkannte ich, dass das ganz sicher nicht mehr zum Sonnenuntergang gehört. Ich konnte dann aus dem Badezimmerfenster „Beweisfotos“ aufnehmen. Wäre ich an jenem Abend ein Stück den Berg raufgefahren, hätte das sicher grandiose Aufnahmen gegeben. Es wäre alles rot gewesen. Vielleicht das nächste Mal!
Die gleiche Intensität wie in Norwegen oder Grönland hatte das Licht nicht. Es war aber deutlich zu sehen und bewegte und veränderte sich auch.
Das Wichtigste ist, wie immer bei Naturerscheinungen: die Geduld und die Lust, eine Entdeckung zu machen. Sich nur auf die Indexwerte zu verlassen ist in höheren Breiten ohnehin nicht ratsam, vor allem nicht auf die manchmal recht genauen zeitlichen Angaben. Ich habe in Norwegen und Grönland schon bei fantastischen Werten gar nichts gesehen, und bei schlechten Werten fantastisches Nordlicht. In Deutschland ist man aber sicher auf einen hohen Wert angewiesen, hier wird es kaum zu Überraschungen kommen; und wer in Norddeutschland wohnt, hat gegenüber den Bayern, Schweizern und Österreichern natürlich auch noch einen Vorteil.
Manchmal sind anfangs nur weiße Schleier zu sehen, die fast wie Wolken aussehen. Aber häufig entwickelt es sich zu einer wundervollen Show, die manchmal auch sehr schnell wieder vorbei ist. Draußen sein und warten, das ist der Schlüssel zum Glück!
Ich wünsche Euch viel Glück bei Euren Beobachtungen!
Bis in zwei Wochen!
Eure
Birgit Lutz