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Eisberg Nordische Notizen Birgit Lutz
Birgit Lutz

Birgit Lutz

In ihrer Polarkolumne, die ab 2021 immer freitags auf unserer Homepage neu erscheint, schreibt die Expeditionsleiterin und Autorin Birgit Lutz über alle Themenfelder der Polarregionen - von großen Erlebnissen und kleinen Momenten auf eigenen Reisen über aktuelle Entwicklungen in Arktis und Antarktis bis hin zu praktischen Informationen für Ihre Reisevorbereitung oder Empfehlungen zur Polarliteratur.

Notizen aus dem Eis 1

Jede Woche eine kurze Reise

Viele Orte werden von vielen Menschen einmal besucht. Weil sie schön sind, weil sie berühmt sind. Weil man sie irgendwie einmal gesehen haben muss. Das Empire State Building. Das Tadj Mahal. Den Eiffelturm. Seitdem es Instagram gibt, auch Hallstadt in Österreich oder die Lavendelfelder der Provence. Die Menschen kommen, sehen, gehen wieder. Manche haben eine Liste und setzen nach dem Besuch ein Häkchen darauf.

Diese Orte wird kaum einer der Besucher auch noch ein zweites Mal besuchen, gut, mancher wird es vielleicht ein bisschen wollen, aber doch nie genug, um es auch wirklich zu tun. Wer hat schon von der Faszination des Empire State Building gehört und einem Besessenen, der nun schon zum 17. Mal deswegen nach New York reist? Eben.

Und dann gibt es einige Orte oder Regionen, die werden von manchen Menschen immer wieder besucht. Es gibt sogar Menschen, die fahren überhaupt nie mehr irgendwo anders hin, als immer wieder in dieses eine Gebiet. Weil sie als Souvenir so ein seltsames Ziehen in ihrem Herzen mit nach Hause genommen haben. Und dieses Ziehen hört nicht auf, sondern wird mit jedem Tag, den man nicht dort ist, noch stärker, so dass man das Daheimsein eigentlich nur aushält, wenn es schon einen neuen Plan gibt. Für eine Reise zu diesem Sehnsuchtsort.

Ich bin so ein Mensch. Mein Sehnsuchtsort sind die Polregionen. Und ich kenne ganz viele solcher Menschen. Menschen, die in der Kälte arbeiten, leben, immer wieder in sie hinein reisen. Man spricht dann von einem Virus, gut, derzeit nicht so gerne, derzeit lieber von einem Käfer, der einen gebissen habe. Mir gefallen diese Bilder nicht so gut, ich fühle mich weder krank noch gebissen. Für mich ist es ein Zauber.

Der Zauber der Arktis liegt nicht nur in ihrem Licht. Er liegt in ihrem großen, beeindruckenden Ganzen. Die Arktis ist karg, kalt, weit. Es gibt Menschen, die kommen einmal und nie wieder, weil auf sie diese Kargheit öde, die Kälte peinigend und die Weite verunsichernd wirken. Auf mich wirkt die Kargheit erleichternd und spannend, die Komplexität der Welt ist hier so wundervoll reduziert, man muss genau hinschauen, man muss suchen, und immer, immer wird man belohnt. Die Kälte ist für mich erfrischend, sie lässt mich wach sein, die dünne, kalte Luft, die im Winter die Nase einfrieren lässt, sie ist die beste, die es gibt. Und die Weite lässt mein Herz und meine Seele hüpfen, ich sehe Landschaften, die vor mir kaum jemand betreten hat und in die ergreifende Expeditionsgeschichten geschrieben wurden, die Gedanken können frei und immer freier schwingen und das Dasein ist pure Freude.

Und schließlich die Menschen. Wortkarge Norweger, die zu Freunden werden, schweigende Grönländer, die plötzlich lachen, romantische Russen, die zum Borschtsch einladen. Sie machen die Kälte warm.

Umso bedrückender sind die Veränderungen, die diese wundervolle Region nun erleben muss. Das große Tauen, das seit einiger Zeit begonnen und die arktische Ordnung durcheinandergebracht hat. Traurig ist, was mit Mensch und Tier nun passiert, und ich zweifle, ob dem Anfang dieser neuen Zeit ein Zauber innewohnt, oder ob nicht vielmehr der alte Zauber bald zerschmolzen sein wird.

Und so ist da so Vieles, im so gar nicht leeren, öden Norden, über das sich nicht nur zu berichten, sondern auch einmal zu schwärmen oder zu trauern und deshalb zu schreiben lohnt, so dass es nun diese Kolumne gibt, die Notizen aus dem Eis, die den Zauber und das Wesen dieser Region Woche für Woche ein wenig beleuchten und die dunklen Stellen dabei nicht übersehen.

Jede Woche eine kurze Reise – was kann man besseres beginnen, in Zeiten wie diesen?
Kommen Sie mit!

Bis nächste Woche,
Ihre

Birgit Lutz

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Jede Woche eine kurze Reise

Viele Orte werden von vielen Menschen einmal besucht. Weil sie schön sind, weil sie berühmt sind. Weil man sie irgendwie einmal gesehen haben muss. Das Empire State Building. Das Tadj Mahal. Den Eiffelturm. Seitdem es Instagram gibt, auch Hallstadt in Österreich oder die Lavendelfelder der Provence. Die Menschen kommen, sehen, gehen wieder. Manche haben eine Liste und setzen nach dem Besuch ein Häkchen darauf.

Diese Orte wird kaum einer der Besucher auch noch ein zweites Mal besuchen, gut, mancher wird es vielleicht ein bisschen wollen, aber doch nie genug, um es auch wirklich zu tun. Wer hat schon von der Faszination des Empire State Building gehört und einem Besessenen, der nun schon zum 17. Mal deswegen nach New York reist? Eben.

Und dann gibt es einige Orte oder Regionen, die werden von manchen Menschen immer wieder besucht. Es gibt sogar Menschen, die fahren überhaupt nie mehr irgendwo anders hin, als immer wieder in dieses eine Gebiet. Weil sie als Souvenir so ein seltsames Ziehen in ihrem Herzen mit nach Hause genommen haben. Und dieses Ziehen hört nicht auf, sondern wird mit jedem Tag, den man nicht dort ist, noch stärker, so dass man das Daheimsein eigentlich nur aushält, wenn es schon einen neuen Plan gibt. Für eine Reise zu diesem Sehnsuchtsort.

Ich bin so ein Mensch. Mein Sehnsuchtsort sind die Polregionen. Und ich kenne ganz viele solcher Menschen. Menschen, die in der Kälte arbeiten, leben, immer wieder in sie hinein reisen. Man spricht dann von einem Virus, gut, derzeit nicht so gerne, derzeit lieber von einem Käfer, der einen gebissen habe. Mir gefallen diese Bilder nicht so gut, ich fühle mich weder krank noch gebissen. Für mich ist es ein Zauber.

Der Zauber der Arktis liegt nicht nur in ihrem Licht. Er liegt in ihrem großen, beeindruckenden Ganzen. Die Arktis ist karg, kalt, weit. Es gibt Menschen, die kommen einmal und nie wieder, weil auf sie diese Kargheit öde, die Kälte peinigend und die Weite verunsichernd wirken. Auf mich wirkt die Kargheit erleichternd und spannend, die Komplexität der Welt ist hier so wundervoll reduziert, man muss genau hinschauen, man muss suchen, und immer, immer wird man belohnt. Die Kälte ist für mich erfrischend, sie lässt mich wach sein, die dünne, kalte Luft, die im Winter die Nase einfrieren lässt, sie ist die beste, die es gibt. Und die Weite lässt mein Herz und meine Seele hüpfen, ich sehe Landschaften, die vor mir kaum jemand betreten hat und in die ergreifende Expeditionsgeschichten geschrieben wurden, die Gedanken können frei und immer freier schwingen und das Dasein ist pure Freude.

Und schließlich die Menschen. Wortkarge Norweger, die zu Freunden werden, schweigende Grönländer, die plötzlich lachen, romantische Russen, die zum Borschtsch einladen. Sie machen die Kälte warm.

Umso bedrückender sind die Veränderungen, die diese wundervolle Region nun erleben muss. Das große Tauen, das seit einiger Zeit begonnen und die arktische Ordnung durcheinandergebracht hat. Traurig ist, was mit Mensch und Tier nun passiert, und ich zweifle, ob dem Anfang dieser neuen Zeit ein Zauber innewohnt, oder ob nicht vielmehr der alte Zauber bald zerschmolzen sein wird.

Und so ist da so Vieles, im so gar nicht leeren, öden Norden, über das sich nicht nur zu berichten, sondern auch einmal zu schwärmen oder zu trauern und deshalb zu schreiben lohnt, so dass es nun diese Kolumne gibt, die Notizen aus dem Eis, die den Zauber und das Wesen dieser Region Woche für Woche ein wenig beleuchten und die dunklen Stellen dabei nicht übersehen.

Jede Woche eine kurze Reise – was kann man besseres beginnen, in Zeiten wie diesen?
Kommen Sie mit!

Bis nächste Woche,
Ihre

Birgit Lutz