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Nordnorwegen Stille
Birgit Lutz

Birgit Lutz

In ihrer Polarkolumne, die ab 2021 immer freitags auf unserer Homepage neu erscheint, schreibt die Expeditionsleiterin und Autorin Birgit Lutz über alle Themenfelder der Polarregionen - von großen Erlebnissen und kleinen Momenten auf eigenen Reisen über aktuelle Entwicklungen in Arktis und Antarktis bis hin zu praktischen Informationen für Ihre Reisevorbereitung oder Empfehlungen zur Polarliteratur.

Notizen aus dem Eis 2 – Winterzauber Nordnorwegens

Der Winterzauber Nordnorwegens, er fehlt.

Das schwarzglatte Wasser. Die mondweißen Bergwände. Das leise Gluckern, das zarte Glitzern. Es fehlt mir so.

Reisen im Winter nach Nordnorwegen, zu den Walen, den Polarlichtern, in die Dunkelheit, sie haben ihren ganz eigenen, so besonderen Reiz. Als ich das erste Mal gefragt wurde, ob ich eine solche Fahrt leiten wollte, sagte ich natürlich Ja, aber ich dachte mir: Was soll ich bloß mit den Leuten machen, wenn es doch die ganze Zeit dunkel ist? Wie unbegründet dieser Gedanke war.

Denn zuallererst ist es natürlich gar nicht die ganze Zeit dunkel. Anfang November, wenn diese Reisen beginnen, hat man noch mehrere Stunden wundervolles Zwielicht. Im ersten Morgenlicht fahren wir hinaus, machen uns auf die Suche nach Orcas und Buckelwalen, die beiden Walarten, die in den Wintermonaten in die Fjorde Nordnorwegens kommen. Sie folgen den Heringen aus der Barentssee, die sich hier ausruhen, ihre Schwärme sind ein Festmahl für die Meeressäuger. Stunden verbringen wir auf dem Wasser, finden immer wieder Schulen von Orcas, Familien von Buckelwalen. Wir sehen ihre Finnen und Fluken, wir hören ihren Blas und manchmal ein Pfeifen und Schnauben. Manchmal sind wir ganz alleine mit ihnen, manchmal sind Fischereischiffe in der Nähe, denn auch die Menschen wollen den Hering, und die Orcas klauen sie ihnen manchmal sogar aus ihren Netzen heraus – das Verhältnis norwegischer Fischer und Wal wird nie ein einfaches sein…

Am späten Nachmittag oder Abend gehen wir wandern oder schneeschuhwandern, wir stapfen auf verlassenen Inseln in dunkle Birkenwälder und sitzen im Mondlicht mit ausgeschalteten Stirnlampen, lauschen der Stille. Wir kehren zurück auf unser gemütliches Schiff, unser Zuhause und unsere Zuflucht, unser vertrautes Heim, in dem wir rotwangig glücklich zu Abend essen.

So sehen diese Wintertage aus, und manchmal werden sie noch viel länger als die hellen Sommertage in Spitzbergen, denn dann tanzt in der Nacht ein Polarlicht über den Himmel, und wer will dann schlafen?

Woche für Woche nimmt die helle Zeit ab, erst um nur wenige Minuten und dann immer mehr. Vor Weihnachten strahlt Tromsø in einer wundervollen Weihnachtsbeleuchtung und alles ist so herrlich nordisch gemütlich. So hyggelig eben. Nun ist es schon um 14 Uhr zappenduster, aber die Wale stört das nicht. Wir sehen sie morgens trotzdem und haben nachher noch mehr Gelegenheit, die Dunkelheit der norwegischen Fjorde zu erspüren, und tatsächlich sind die dunkelsten die schönsten Reisen für mich geworden. Morgens fangen wir langsam an und am Abend genießen wir die traute Gemütlichkeit unseres kleinen Schiffs, mit Plaudereien und Lesungen, wenn denn kein Nordlicht scheint. Diese Reisen passen so herrlich in die Vorweihnachtszeit, in der man in heimeligen Stuben sitzen sollte…

Und dennoch, was für eine Freude schließlich, wenn im Januar die Sonne wiederkommt!
Man kann es nicht vergessen, wie es sich anfühlt, wenn man nach Wochen der Dunkelheit zum ersten Mal im Sonnenlicht steht. Wenn der Schnee durch die tiefstehende Sonne glitzert wie Trilliarden Diamanten. Wenn man frühmorgens loszieht mit den Schneeschuhen, in der dampfenden Schattenkälte, und dann auf einmal die Sonne über den Berg strahlt, die alles in ein solch weiches wunderbares Morgenlicht taucht.

Mit der rückkehrenden Sonne verschwinden die Wale, es wird nun so schnell hell wie es zuvor dunkel wurde. Unsere Wanderungen werden weiter, wir wagen uns höher hinauf, über der Baumgrenze fühlen wir uns beinah wie in Spitzbergen und wir staunen über das Weiß der Berge und das Schwarz der See, die geschwungenen Fjordküsten und Inseln wie Tupfen im Meer.

Wir treffen unsere Freunde im kleinen Ort Finnkroken, sie laden uns ein in eine Jurte, das traditionelle Zelt der Samen, sie machen ein Feuer und teilen Punsch aus und über den Himmel tanzt es grün. Es gibt keinen Monat in diesem Winter in Nordnorwegen, der nicht wundervoll wäre.

Der Frieden und die Einfachheit einer stillen See, die Kraft der Winterstürme, die dort auch ab und an über uns hereinbrechen, die Menschen am Pier, die uns so freudig wie rau umarmen, alles das hat einen solchen sanften, wilden Zauber – die Landschaft und die Menschen, ich vermisse sie beide gleichermaßen. Was wird es schön sein, wenn wir das wieder erleben können!

Was meinen Sie, sind Sie dann mal mit dabei?

Bis nächste Woche!

Ihre

Birgit Lutz

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1 Gedanke zu „Notizen aus dem Eis 2 – Winterzauber Nordnorwegens“

  1. Liebe Birgit,

    was für schöne Schilderungen. Man bekommt Appetit auf den hohen Norden der niemals gestillt werden kann, hat man einmal davon gekostet.
    Toll, daß Du diese Kolumnen schreibst. Ich lese jede. Ebenso wie Deine Bücher.

    Liebe Grüße Brigitte Rastetter-Neuhaus aus Karlsruhe

    Antworten

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Denn zuallererst ist es natürlich gar nicht die ganze Zeit dunkel. Anfang November, wenn diese Reisen beginnen, hat man noch mehrere Stunden wundervolles Zwielicht. Im ersten Morgenlicht fahren wir hinaus, machen uns auf die Suche nach Orcas und Buckelwalen, die beiden Walarten, die in den Wintermonaten in die Fjorde Nordnorwegens kommen. Sie folgen den Heringen aus der Barentssee, die sich hier ausruhen, ihre Schwärme sind ein Festmahl für die Meeressäuger. Stunden verbringen wir auf dem Wasser, finden immer wieder Schulen von Orcas, Familien von Buckelwalen. Wir sehen ihre Finnen und Fluken, wir hören ihren Blas und manchmal ein Pfeifen und Schnauben. Manchmal sind wir ganz alleine mit ihnen, manchmal sind Fischereischiffe in der Nähe, denn auch die Menschen wollen den Hering, und die Orcas klauen sie ihnen manchmal sogar aus ihren Netzen heraus – das Verhältnis norwegischer Fischer und Wal wird nie ein einfaches sein…

Am späten Nachmittag oder Abend gehen wir wandern oder schneeschuhwandern, wir stapfen auf verlassenen Inseln in dunkle Birkenwälder und sitzen im Mondlicht mit ausgeschalteten Stirnlampen, lauschen der Stille. Wir kehren zurück auf unser gemütliches Schiff, unser Zuhause und unsere Zuflucht, unser vertrautes Heim, in dem wir rotwangig glücklich zu Abend essen.

So sehen diese Wintertage aus, und manchmal werden sie noch viel länger als die hellen Sommertage in Spitzbergen, denn dann tanzt in der Nacht ein Polarlicht über den Himmel, und wer will dann schlafen?

Woche für Woche nimmt die helle Zeit ab, erst um nur wenige Minuten und dann immer mehr. Vor Weihnachten strahlt Tromsø in einer wundervollen Weihnachtsbeleuchtung und alles ist so herrlich nordisch gemütlich. So hyggelig eben. Nun ist es schon um 14 Uhr zappenduster, aber die Wale stört das nicht. Wir sehen sie morgens trotzdem und haben nachher noch mehr Gelegenheit, die Dunkelheit der norwegischen Fjorde zu erspüren, und tatsächlich sind die dunkelsten die schönsten Reisen für mich geworden. Morgens fangen wir langsam an und am Abend genießen wir die traute Gemütlichkeit unseres kleinen Schiffs, mit Plaudereien und Lesungen, wenn denn kein Nordlicht scheint. Diese Reisen passen so herrlich in die Vorweihnachtszeit, in der man in heimeligen Stuben sitzen sollte…

Und dennoch, was für eine Freude schließlich, wenn im Januar die Sonne wiederkommt!
Man kann es nicht vergessen, wie es sich anfühlt, wenn man nach Wochen der Dunkelheit zum ersten Mal im Sonnenlicht steht. Wenn der Schnee durch die tiefstehende Sonne glitzert wie Trilliarden Diamanten. Wenn man frühmorgens loszieht mit den Schneeschuhen, in der dampfenden Schattenkälte, und dann auf einmal die Sonne über den Berg strahlt, die alles in ein solch weiches wunderbares Morgenlicht taucht.

Mit der rückkehrenden Sonne verschwinden die Wale, es wird nun so schnell hell wie es zuvor dunkel wurde. Unsere Wanderungen werden weiter, wir wagen uns höher hinauf, über der Baumgrenze fühlen wir uns beinah wie in Spitzbergen und wir staunen über das Weiß der Berge und das Schwarz der See, die geschwungenen Fjordküsten und Inseln wie Tupfen im Meer.

Wir treffen unsere Freunde im kleinen Ort Finnkroken, sie laden uns ein in eine Jurte, das traditionelle Zelt der Samen, sie machen ein Feuer und teilen Punsch aus und über den Himmel tanzt es grün. Es gibt keinen Monat in diesem Winter in Nordnorwegen, der nicht wundervoll wäre.

Der Frieden und die Einfachheit einer stillen See, die Kraft der Winterstürme, die dort auch ab und an über uns hereinbrechen, die Menschen am Pier, die uns so freudig wie rau umarmen, alles das hat einen solchen sanften, wilden Zauber – die Landschaft und die Menschen, ich vermisse sie beide gleichermaßen. Was wird es schön sein, wenn wir das wieder erleben können!

Was meinen Sie, sind Sie dann mal mit dabei?

Bis nächste Woche!

Ihre

Birgit Lutz