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Birgit Lutz

In ihrer Polarkolumne, die ab 2021 immer freitags auf unserer Homepage neu erscheint, schreibt die Expeditionsleiterin und Autorin Birgit Lutz über alle Themenfelder der Polarregionen - von großen Erlebnissen und kleinen Momenten auf eigenen Reisen über aktuelle Entwicklungen in Arktis und Antarktis bis hin zu praktischen Informationen für Ihre Reisevorbereitung oder Empfehlungen zur Polarliteratur.

Notizen aus dem Eis 27 – Buckelwale, zu Wasser und zu Luft

In den Filmen sieht das immer so aus, dass Wale aus dem Wasser schießen, sich waagrecht in der Luft drehen und dann mit einem Riesenplatsch ihren tonnenschweren Körper in das Wasser fallen lassen, und alle die zuschauen kreischen, oder es spielt Enya oder so.

In echt ist es so, wie eine Kollegin von mir sagt: Whale watching is mainly water watching – auf Waltouren sieht man vor allem Wasser.

Das ist natürlich nicht immer so, sonst würde niemand zum Whale watchen fahren und ich würde solche Touren auch nicht immer wieder mit großer Freude leiten. Aber es hat tatsächlich Jahre gedauert, bis ich einen breachenden Buckelwal gesehen habe, breaching, so heißt dieses imposante Aus-dem-Wasser-Höpsen und wieder reinplumpsen.

Meinen ersten breachenden Buckelwal also sah ich nach jahrelanger Seefahrt in Nordnorwegen. Wir fuhren in die eine Richtung, ich schaute in die andere und sah einen Buckelwal aus dem Wasser schießen, weit entfernt, und ich geriet so vollkommen un-expeditionsleitermäßigabgeklärt aus dem Häuschen, dass ich nur mit dem Finger immer wieder in die Luft stechen und breaching! breaching! breaching! kreischen konnte. Das hatte aber zumindest den Effekt, dass der Kapitän ohne große Fisimatenten das Steuerrad ordentlich surren ließ und wir sogleich Kurs auf diesen sprunghaften Gesellen nahmen.

Der tat uns und allen Gästen auch den Gefallen, dass er noch ein paarmal aus dem Wasser sprang, und alle dieses Spektakel sehen konnten. Er hörte erst auf, als wir bei ihm waren. So ist das eben, dann sahen wir wieder Wasser.

Buckelwale sind dabei nahezu die einzigen Wale, die solch fulminante Sprünge vollführen, bei denen sie ihren kompletten Körper aus dem Wasser katapultieren. Und auch wenn sie relativ klein sind – mit Körperlängen zwischen zwölf und 15 Metern – ist das natürlich ein irrer Anblick, denn auch diese relativ kleinen Wale bringen dann doch etwa 30 Tonnen auf die Waage und in die Luft. Also ein paar schöne Sattelschlepper, die da aus den Wellen hüpfen.

Buckelwale sind nicht nur wegen ihres Verhaltens sehr gut zu erkennen. Sie unterscheiden sich auch in ihrem Aussehen ganz deutlich von anderen Walen. Kein anderer Wal hat so lange Brustfinnen wie der Buckelwal, bei dem sie ungefähr ein Drittel der Körperlänge erreichen. Steht man an Deck und schaut auf einen vorbeitauchenden Buckelwal, so sieht es deswegen aus, als würde das Tier wie ein Segelflugzeug durch das Wasser fliegen.

Die Fluke des Buckelwals ist oben dunkel und an der Unterseite weiß gemustert – wobei dieses Muster so einzigartig ist wie ein Fingerabdruck. Die Fluke reckt der Buckelwal immer schön in den Himmel, wenn er abtaucht – auch das macht ihn zu einem so dankbaren Beobachtungs-Wal. Beim Abtauchen macht sich der Wal ziemlich rund und reckt dabei auch seinen buckelartige Rückenfinne aus dem Wasser, woher er seinen Namen hat.

Buckelwale zu beobachten ist wunderbar. Sie kommen manchmal sehr nah an unsere Schiffe heran, einmal lag ich im Klüvernetz und einer tauchte direkt unter uns auf und wir bekamen eine ordentliche Ladung seines Blas ab.

In Nordnorwegen können wir sie häufig beim Bubble-feeding beobachten – dort schwimmen sie im November und Dezember in die Fjorde, wo zu dieser Zeit die großen Heringsschwärme aus der Barentssee zu finden sind. Buckelwale sind Schluckfiltrierer, das heißt, sie schwimmen mit geöffnetem Maul durch nahrungsreiches Wasser, schließen dann das Maul und pressen das Wasser durch die Barten wieder nach draußen – das Futter bleibt drinnen. Leider mit dem Futter auch immer mehr Unrat wie Plastiktüten, Hausmüll oder Fischernetze, aber das ist ein anderes Thema.

Auf der Südhalbkugel ernähren sich die Buckelwale vor allem vom kleinen Krill, im Norden mehr von Fisch. In diesem angerichteten Heringsbuffett in den norwegischen Fjorden also tauchen manchmal gleich mehrere Wale senkrecht nach oben und produzieren gemeinsam einen kreisförmigen Luftblasenvorhang, mit dem sie die kleinen Heringe verwirren und wie mit einem Netz einfangen. Auftauchend öffnen die Wale dann ihre gewaltigen Schlünder und fischen somit praktisch alle Heringe innerhalb des Vorhangs ab.

An der Wasseroberfläche ist das beeindruckend zu sehen, erst beginnt das Wasser immer mehr zu blubbern und urplötzlich tauchen dann drei, vier, sieben weit geöffnete Walmäuler auf, die sich über Wasser platschend schließen, dann gleiten die Wal-Köpfe ins Wasser zurück.

Im Nordatlantik sind heute wieder um die 12.000 Buckelwale zu finden, in den südlichen Meeren etwa 25.000, hinzu kommt der Nordpazifik mit etwa 20.000 Exemplaren. Damit hat sich der Buckelwal relativ gut von der intensiven Jagd erholt, ist aber immer noch weit von dem Stand zur Zeit vor dem industriellen Walfang entfernt, zu der schätzungsweise 125.000 Buckelwale in unseren Ozeanen unterwegs waren. Seit dem Walfangmoratorium 1966, das für die 13 Großwalarten gilt, darf der Buckelwal nur noch von einigen indigenen Völkern in der Karibik, der Südsee und Grönland gejagt werden und sie ist mit Quoten geregelt. Immer wieder aber versuchen Walfangnationen, erneut Jagd auf Großwalarten zu machen – dazu gehören Norwegen, Island und Japan.

Es gäbe noch viel über diese wunderbaren Tiere zu erzählen; am besten aber sieht man sie einmal aus der Nähe, egal wo auf der Welt. Ich bin immer wieder verzaubert, welche Wirkung Walsichtungen auf unsere Gäste – und die Crew auch natürlich! – haben. Mucksmäuschenstill stehen wir an Deck, folgen den Walen gebannt mit den Augen, hören ihren Atem und manchmal sogar Teile ihrer Gesänge. Wenn das geschieht, ist alles Frieden.

Bis nächste Woche!

Ihre
Birgit Lutz

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In echt ist es so, wie eine Kollegin von mir sagt: Whale watching is mainly water watching – auf Waltouren sieht man vor allem Wasser.

Das ist natürlich nicht immer so, sonst würde niemand zum Whale watchen fahren und ich würde solche Touren auch nicht immer wieder mit großer Freude leiten. Aber es hat tatsächlich Jahre gedauert, bis ich einen breachenden Buckelwal gesehen habe, breaching, so heißt dieses imposante Aus-dem-Wasser-Höpsen und wieder reinplumpsen.

Meinen ersten breachenden Buckelwal also sah ich nach jahrelanger Seefahrt in Nordnorwegen. Wir fuhren in die eine Richtung, ich schaute in die andere und sah einen Buckelwal aus dem Wasser schießen, weit entfernt, und ich geriet so vollkommen un-expeditionsleitermäßigabgeklärt aus dem Häuschen, dass ich nur mit dem Finger immer wieder in die Luft stechen und breaching! breaching! breaching! kreischen konnte. Das hatte aber zumindest den Effekt, dass der Kapitän ohne große Fisimatenten das Steuerrad ordentlich surren ließ und wir sogleich Kurs auf diesen sprunghaften Gesellen nahmen.

Der tat uns und allen Gästen auch den Gefallen, dass er noch ein paarmal aus dem Wasser sprang, und alle dieses Spektakel sehen konnten. Er hörte erst auf, als wir bei ihm waren. So ist das eben, dann sahen wir wieder Wasser.

Buckelwale sind dabei nahezu die einzigen Wale, die solch fulminante Sprünge vollführen, bei denen sie ihren kompletten Körper aus dem Wasser katapultieren. Und auch wenn sie relativ klein sind – mit Körperlängen zwischen zwölf und 15 Metern – ist das natürlich ein irrer Anblick, denn auch diese relativ kleinen Wale bringen dann doch etwa 30 Tonnen auf die Waage und in die Luft. Also ein paar schöne Sattelschlepper, die da aus den Wellen hüpfen.

Buckelwale sind nicht nur wegen ihres Verhaltens sehr gut zu erkennen. Sie unterscheiden sich auch in ihrem Aussehen ganz deutlich von anderen Walen. Kein anderer Wal hat so lange Brustfinnen wie der Buckelwal, bei dem sie ungefähr ein Drittel der Körperlänge erreichen. Steht man an Deck und schaut auf einen vorbeitauchenden Buckelwal, so sieht es deswegen aus, als würde das Tier wie ein Segelflugzeug durch das Wasser fliegen.

Die Fluke des Buckelwals ist oben dunkel und an der Unterseite weiß gemustert – wobei dieses Muster so einzigartig ist wie ein Fingerabdruck. Die Fluke reckt der Buckelwal immer schön in den Himmel, wenn er abtaucht – auch das macht ihn zu einem so dankbaren Beobachtungs-Wal. Beim Abtauchen macht sich der Wal ziemlich rund und reckt dabei auch seinen buckelartige Rückenfinne aus dem Wasser, woher er seinen Namen hat.

Buckelwale zu beobachten ist wunderbar. Sie kommen manchmal sehr nah an unsere Schiffe heran, einmal lag ich im Klüvernetz und einer tauchte direkt unter uns auf und wir bekamen eine ordentliche Ladung seines Blas ab.

In Nordnorwegen können wir sie häufig beim Bubble-feeding beobachten – dort schwimmen sie im November und Dezember in die Fjorde, wo zu dieser Zeit die großen Heringsschwärme aus der Barentssee zu finden sind. Buckelwale sind Schluckfiltrierer, das heißt, sie schwimmen mit geöffnetem Maul durch nahrungsreiches Wasser, schließen dann das Maul und pressen das Wasser durch die Barten wieder nach draußen – das Futter bleibt drinnen. Leider mit dem Futter auch immer mehr Unrat wie Plastiktüten, Hausmüll oder Fischernetze, aber das ist ein anderes Thema.

Auf der Südhalbkugel ernähren sich die Buckelwale vor allem vom kleinen Krill, im Norden mehr von Fisch. In diesem angerichteten Heringsbuffett in den norwegischen Fjorden also tauchen manchmal gleich mehrere Wale senkrecht nach oben und produzieren gemeinsam einen kreisförmigen Luftblasenvorhang, mit dem sie die kleinen Heringe verwirren und wie mit einem Netz einfangen. Auftauchend öffnen die Wale dann ihre gewaltigen Schlünder und fischen somit praktisch alle Heringe innerhalb des Vorhangs ab.

An der Wasseroberfläche ist das beeindruckend zu sehen, erst beginnt das Wasser immer mehr zu blubbern und urplötzlich tauchen dann drei, vier, sieben weit geöffnete Walmäuler auf, die sich über Wasser platschend schließen, dann gleiten die Wal-Köpfe ins Wasser zurück.

Im Nordatlantik sind heute wieder um die 12.000 Buckelwale zu finden, in den südlichen Meeren etwa 25.000, hinzu kommt der Nordpazifik mit etwa 20.000 Exemplaren. Damit hat sich der Buckelwal relativ gut von der intensiven Jagd erholt, ist aber immer noch weit von dem Stand zur Zeit vor dem industriellen Walfang entfernt, zu der schätzungsweise 125.000 Buckelwale in unseren Ozeanen unterwegs waren. Seit dem Walfangmoratorium 1966, das für die 13 Großwalarten gilt, darf der Buckelwal nur noch von einigen indigenen Völkern in der Karibik, der Südsee und Grönland gejagt werden und sie ist mit Quoten geregelt. Immer wieder aber versuchen Walfangnationen, erneut Jagd auf Großwalarten zu machen – dazu gehören Norwegen, Island und Japan.

Es gäbe noch viel über diese wunderbaren Tiere zu erzählen; am besten aber sieht man sie einmal aus der Nähe, egal wo auf der Welt. Ich bin immer wieder verzaubert, welche Wirkung Walsichtungen auf unsere Gäste – und die Crew auch natürlich! – haben. Mucksmäuschenstill stehen wir an Deck, folgen den Walen gebannt mit den Augen, hören ihren Atem und manchmal sogar Teile ihrer Gesänge. Wenn das geschieht, ist alles Frieden.

Bis nächste Woche!

Ihre
Birgit Lutz