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Birgit Lutz

In ihrer Polarkolumne, die ab 2021 immer freitags auf unserer Homepage neu erscheint, schreibt die Expeditionsleiterin und Autorin Birgit Lutz über alle Themenfelder der Polarregionen - von großen Erlebnissen und kleinen Momenten auf eigenen Reisen über aktuelle Entwicklungen in Arktis und Antarktis bis hin zu praktischen Informationen für Ihre Reisevorbereitung oder Empfehlungen zur Polarliteratur.

Notizen aus dem Eis 30 – Einfach und spektakulär: Schneeschuhtour in Spitzbergen

Wie es dort wohl jetzt aussieht? Zwei Jahre bin ich nicht dort gewesen, bei einer meiner liebsten Schneeschuhtouren in Spitzbergen, die Seitenmoräne des Blomstrandbreen hinauf.

Diese Tour mag ich deswegen so, weil sie rundum spektakulär, aber vollkommen einfach ist. Überhaupt mag ich Schneeschuhtouren sehr gern, das denke ich mir auch jetzt immer wieder, wenn ich in den bayerischen Bergen herumwandere. Schwitzend und immer den Wegen folgend. Das Schöne an Schneeschuhen ist, dass man mit ihnen einfach drauflos gehen kann, in Spitzbergen gibt es ja ohnehin keine Wege, aber Schneeschuhe machen alles eigentlich immer noch einfacher anstelle schwieriger.

Manchmal haben Gäste Bedenken vor diesen Touren, machen sich alle möglichen Gedanken. Ob sie das können, ob sie mitkommen mit der Gruppe, all so was. Und nach der ersten Tour wollen sie die Schuhe dann gar nicht mehr ausziehen, weil sie merken, dass diese Dinger das Leben wirklich einfacher machen – und das Anstrengendste an Schneeschuhen tatsächlich das Anziehen ist!

Bei der Tour am Blomstrandbreen ankern wir im Kongsfjord zwischen der Blomstrandhalvøya und dem „Festland“ und fahren mit den Schlauchbooten ein kurzes Stück hinüber an Land. Dort ziehen wir die Schneeschuhe an, und mit den ersten Metern beginnt schon das Spektakel. Denn wir landen hier direkt neben dem Blomstrandbreen, dem Blomstrandgletscher, der sich hier ins Meer schiebt. Im anfänglich flachen Strand gehen wir also direkt neben dem Gletscher und stehen neben hohen Eistürmen (in sicherem Abstand natürlich). Dann geht der Weg die Moräne hinauf. In sanfter Steigung erklimmen wir die Seitenmoräne und den Berghang neben dem Gletscher.

Wir gehen hier sehr langsam, weil man mit jedem Meter einen neuen, wieder anders spannenden Blick auf den Gletscher bekommt. Viele Fotos werden hier gemacht! Wir werden begleitet vom Krachen des Eises, das sich langsam den Berg hinab schiebt. Immer wieder wehen kalte Böen auf uns, die uns noch deutlicher machen, dass wir neben einem enormen Gefrierschrank wandern!

Wenn wir Glück haben, entdecken wir am Berghang Schneehühner; ich habe schon mehrere Male dort ein Ptarmigan-Paar erspähen können. In dieser frühen Zeit im Mai und Juni sind die Schneehühner völlig weiß und man erkennt sie meist nur, wenn sie sich bewegen oder wenn man die schwarze Schnabel-Augenpartie entdeckt, beim Männchen auch den roten Überaugenstreif. Ansonsten sind sie bestens getarnt in dieser weißen Umgebung.

Nach einem relativ kurzen Anstieg, der nur wegen des Staunens so lange dauert, haben wir den Endpunkt erreicht, wo es nicht mehr weiter geht. Weiter müssen wir auch nicht, denn von diesem Ort aus haben wir einen wunderbaren Blick auf den unteren Teil des Gletschers. Wir können in die Spalten hineinsehen, hören das Krachen, das Rauschen des Schmelzwassers, sehen hunderte Schattierungen Blau, von eisigem über Gletscherbonbon- bis türkisfarben und einem weißlich verwaschenen Blau strahlen hier unendlich viele Farbtöne aus dieser riesigem Eismasse.

An dieser Stelle packen wir unsere Thermoskannen und Ferngläser aus und genießen einfach nur diesen Anblick. Wenn sich die erste Aufregung gelegt hat und alle ungefähr 289 Fotos gemacht haben, kündige ich immer die arktische Stille an. Jeder sucht sich dann einen bequemen Platz und wir hören auf zu sprechen und auch, uns zu bewegen, damit wir mit unsren Winterklamotten nicht mehr rascheln. Von uns soll kein Geräusch mehr kommen, wir wollen nur die Natur hören.

Diese Minuten sind für mich immer die wertvollsten aller Landungen, wenn alles ruhig wird und wir nur die wunderbare Spitzbergen-Musik hören.

Bevor wir auskühlen, wandern wir mit unseren Schneeschuhen wieder den Hang hinunter, an einigen Stufen helfen wir uns gegenseitig. Und dann sind wir beschwingt und froh wieder zurück am Strand und besteigen unsere Boote.

Wann kann man je so einfach in einen Gletscher hineinschauen?

Jetzt ist die Zeit der Schneeschuhtouren schon vorbei, der Schnee in Spitzbergen ist weitgehend geschmolzen. Aber nächstes Jahr kommt sie wieder, die weiße Zeit der Inseln, für mich persönlich die schönste. Weil sie arktischer ist als der Sommer, weil man nicht mit Sümpfen und Matsch und Bächen zu kämpfen hat, sondern einfach hineinwandern kann in diese stille, weiße Schneelandschaft, die für mich nie ihren Zauber verlieren wird.

Ich freue mich schon drauf, nächstes Jahr, im Mai und Juni!

Bis nächste Woche!

Ihre
Birgit Lutz

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Manchmal haben Gäste Bedenken vor diesen Touren, machen sich alle möglichen Gedanken. Ob sie das können, ob sie mitkommen mit der Gruppe, all so was. Und nach der ersten Tour wollen sie die Schuhe dann gar nicht mehr ausziehen, weil sie merken, dass diese Dinger das Leben wirklich einfacher machen – und das Anstrengendste an Schneeschuhen tatsächlich das Anziehen ist!

Bei der Tour am Blomstrandbreen ankern wir im Kongsfjord zwischen der Blomstrandhalvøya und dem „Festland“ und fahren mit den Schlauchbooten ein kurzes Stück hinüber an Land. Dort ziehen wir die Schneeschuhe an, und mit den ersten Metern beginnt schon das Spektakel. Denn wir landen hier direkt neben dem Blomstrandbreen, dem Blomstrandgletscher, der sich hier ins Meer schiebt. Im anfänglich flachen Strand gehen wir also direkt neben dem Gletscher und stehen neben hohen Eistürmen (in sicherem Abstand natürlich). Dann geht der Weg die Moräne hinauf. In sanfter Steigung erklimmen wir die Seitenmoräne und den Berghang neben dem Gletscher.

Wir gehen hier sehr langsam, weil man mit jedem Meter einen neuen, wieder anders spannenden Blick auf den Gletscher bekommt. Viele Fotos werden hier gemacht! Wir werden begleitet vom Krachen des Eises, das sich langsam den Berg hinab schiebt. Immer wieder wehen kalte Böen auf uns, die uns noch deutlicher machen, dass wir neben einem enormen Gefrierschrank wandern!

Wenn wir Glück haben, entdecken wir am Berghang Schneehühner; ich habe schon mehrere Male dort ein Ptarmigan-Paar erspähen können. In dieser frühen Zeit im Mai und Juni sind die Schneehühner völlig weiß und man erkennt sie meist nur, wenn sie sich bewegen oder wenn man die schwarze Schnabel-Augenpartie entdeckt, beim Männchen auch den roten Überaugenstreif. Ansonsten sind sie bestens getarnt in dieser weißen Umgebung.

Nach einem relativ kurzen Anstieg, der nur wegen des Staunens so lange dauert, haben wir den Endpunkt erreicht, wo es nicht mehr weiter geht. Weiter müssen wir auch nicht, denn von diesem Ort aus haben wir einen wunderbaren Blick auf den unteren Teil des Gletschers. Wir können in die Spalten hineinsehen, hören das Krachen, das Rauschen des Schmelzwassers, sehen hunderte Schattierungen Blau, von eisigem über Gletscherbonbon- bis türkisfarben und einem weißlich verwaschenen Blau strahlen hier unendlich viele Farbtöne aus dieser riesigem Eismasse.

An dieser Stelle packen wir unsere Thermoskannen und Ferngläser aus und genießen einfach nur diesen Anblick. Wenn sich die erste Aufregung gelegt hat und alle ungefähr 289 Fotos gemacht haben, kündige ich immer die arktische Stille an. Jeder sucht sich dann einen bequemen Platz und wir hören auf zu sprechen und auch, uns zu bewegen, damit wir mit unsren Winterklamotten nicht mehr rascheln. Von uns soll kein Geräusch mehr kommen, wir wollen nur die Natur hören.

Diese Minuten sind für mich immer die wertvollsten aller Landungen, wenn alles ruhig wird und wir nur die wunderbare Spitzbergen-Musik hören.

Bevor wir auskühlen, wandern wir mit unseren Schneeschuhen wieder den Hang hinunter, an einigen Stufen helfen wir uns gegenseitig. Und dann sind wir beschwingt und froh wieder zurück am Strand und besteigen unsere Boote.

Wann kann man je so einfach in einen Gletscher hineinschauen?

Jetzt ist die Zeit der Schneeschuhtouren schon vorbei, der Schnee in Spitzbergen ist weitgehend geschmolzen. Aber nächstes Jahr kommt sie wieder, die weiße Zeit der Inseln, für mich persönlich die schönste. Weil sie arktischer ist als der Sommer, weil man nicht mit Sümpfen und Matsch und Bächen zu kämpfen hat, sondern einfach hineinwandern kann in diese stille, weiße Schneelandschaft, die für mich nie ihren Zauber verlieren wird.

Ich freue mich schon drauf, nächstes Jahr, im Mai und Juni!

Bis nächste Woche!

Ihre
Birgit Lutz