Wer träumt sich dieser Tage nicht einmal weg, in ein Paradies, fern von allem? In den Sommer, in eine Meeresbucht, in der die Wellen sanft an die Ufer plitschen, als sei das Meer ein See? All das gibt es in der Paradise Bay. Aber ganz anders.
Wer nun an einen sonnenbeschienenen Sandstrand denkt, an dem man im Sommerkleidchen oder der Badeshorts mit wehendem Haar einen bunten Cocktail trinken kann, hat sich ein falsches Bild gemacht. Hier geht’s um Notizen aus dem Eis, also liegt diese Bucht relativ erwartbar mittenmang im Eis darinnen, oder zumindest an seinem Rand, oder beides, abwechselnd. Die Paradise Bay, von der hier die Rede ist, liegt an der Antarktischen Halbinsel, an der Danco Küste im Westen des Grahamlands, zwischen dem Duthiers Point und dem Leniz Point – und damit sagt Ihr nun natürlich alle: ach, daaaa!
Die Paradise Bay wurde in den 1920er Jahren so benannt, warum das weiß man, wenn man sich ungefähr eine halbe Sekunde umschaut. Und das, was die Walfänger damals sahen, ist heute noch fast genauso zu sehen. Schnee. Eis. Gletscher. Berge. Meer. Und Wale, Robben, Pinguine – sonst wären ja keine Walfänger gekommen.
Die Paradise Bay ist eine Bucht aus Bergen, Eis und Meer. Mehr als 2000 Meter hoch sind die schneebedeckten Berge, die die Bucht umkränzen. Man wähnt sich in einem schützenden Kessel und ist es auch, meist ist es windgeschützt dort und die See eine sehr ruhige. Warm wird es in der antarktischen Sommersonne dort, viel Sonnencreme ist hier schon vercremt worden. Wenn man mit dem Schlauchboot durch diese Landschaft gleitet, denkt man wieder mal, man sei David Attenborough und mitten in den Fernseher hineingefallen, so unwirklich wirklich ist die Schönheit, sind die Farben, ist das bloße Dasein dieser Bucht.
Und dann prusten da noch Wale, und Kormorane fliegen durch das Bild, Zügel- und Eselspinguine würden das auch gern, aber sie sind flugunfähig an die Umgebung der verlassenen chilenischen Station Gonzales Videla gebunden. Hier kann man sitzen und staunen, eine Runde drehen in der Ebene, die Pinguine beobachten oder: Schlittenfahren. Ohne Schlitten zwar, dafür umso rasanter.
Gleich hinter der Station geht es bergauf, und der schneebedeckte Hang ist bekannt dafür, dass man ihn bis zur ersten Geländestufe gut emporsteigen kann. Dann setzt man sich hin und rutscht – bei entsprechenden Schneebedingungen – einfach auf dem Hintern nach unten. Und je mehr das machen, umso besser wird diese Rutsche, manchmal wird sie zu einem wirklich schnellen Eiskanal.
Und dann passiert das, was immer passiert, wenn Erwachsene Kindersachen machen: Erst sagen die meisten: Das mache ich nicht! Und dann sehen sie, wie die anderen prusten und giggeln und quieksen vor Lachen, wieviel Spaß es macht, diesen Berg in diese Bucht hineinzurutschen, mitten in diese Fototapete hinein, und dass es nur lustig und nicht albern ist und außerdem egal, wenn man Schnee in der Hose hat und sich beim Aufstehen helfen lassen muss – und dann machen es zuletzt fast alle, und viele steigen gleich nochmal nach oben und machen die ganze Landung nichts anderes, als zu rutschen.
Und dann, dann fühlt man sich in dieser Bucht, in der die Zeit stehen geblieben zu sein scheint, tatsächlich wie im Paradies.
Bis nächste Woche!
Ihre
Birgit Lutz