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Birgit Lutz

In ihrer Polarkolumne, die ab 2021 immer freitags auf unserer Homepage neu erscheint, schreibt die Expeditionsleiterin und Autorin Birgit Lutz über alle Themenfelder der Polarregionen - von großen Erlebnissen und kleinen Momenten auf eigenen Reisen über aktuelle Entwicklungen in Arktis und Antarktis bis hin zu praktischen Informationen für Ihre Reisevorbereitung oder Empfehlungen zur Polarliteratur.

Notizen aus dem Eis 49 – Bücher unterm Baum – Eisige Literatur

Bücher unterm Baum – Eisige Literatur

Zum Glück ist noch etwas Zeit bis Weihnachten – und wer noch Geschenke sucht, dem seien hier wieder einmal fünf Bücher empfohlen, die in meinem Regal stehen und die ich allen Polar-Affinen empfehlen kann. Es sind wieder sehr, sehr verschiedene Bücher, und ich hoffe, es ist für jeden was dabei.

Los geht’s:

Michael Köhlmeier
Spielplatz der Helden
Serie Piper

Ein Buch, das jeder Grönland-Expeditions-Begeisterte gelesen haben muss. Ausgangspunkt des Buchs ist die Expedition der drei Südtiroler Robert Peroni, Josef Schrott und Wolfgang Thomaseth, die Grönland auf dem längsten Weg, an der breitesten Stelle durchquerten, ohne Essensdepots. Eine Leistung, von der lange geglaubt wurde, das sie nicht möglich wäre, weil der Weg zu weit und die Schlitten zu schwer würden. Die psychische Belastung dieser Herausforderung blieb denn auch nicht ohne Wirkung. Wer Peronis „Der weiße Horizont“ gelesen hat, weiß, das einer drei Teilnehmer irgendwann beschloss einfach gar nichts mehr zu reden. 40 Tage lang, keinen Pieps. Köhlmeier nun verwebt die Geschichten der drei Bergsteiger zu einem Roman, den man nicht aufhören kann, zu lesen, und man kann sich durchaus vorstellen, dass gar nicht so viel davon erfunden ist. Sehr lesenswert!

Ragnar Kvam Jr.
Im Schatten
Berlin Verlag

Die Norweger hören das nicht gerne, wenn man es sagt. Aber der Nationalheld Roald Amundsen war kein netter Mann. Sicher hat er Enormes erreicht. Doch die Art, wie er zu seinen Zielen gelangt ist, kann nicht zum Vorbild für Führung dienen. So sehr er seinem Vorbild Nansen nacheiferte, gerecht wurde er ihm gerade bei diesem Thema keineswegs. Besonders deutlich wird das in dem Buch von Ragnar Kvam Jr. „Im Schatten“. Darin wird Hjalmar Johansens Rolle bei Nansens und Amundsens Unternehmungen meisterlich unter die Lupe genommen, und es ist wohl nicht untertrieben, zu sagen, ohne Johansen wäre Nansen nicht weit gekommen und Amundsens Männer am Südpol gleich zu Anfang bitterlich erfroren. Es ist genau dieses Geschehnis, der frühe Start der Expedition, der Umstand, dass Amundsen seine Männer alleine lässt und Johansen sie rettet, um als Dank ausgeschlossen zu werden, der zum Schlüssel für Johansens Unglück wird. Das Buch ist spannend, aufschlussreich, ernüchternd und traurig, aber auch ein großartiges Denkmal für den großen Polarforscher Hjalmar Johansen.

Valerian I. Albanow
Im Reich des weißen Todes
Berliner Taschenbuch Verlag

Und nun mal was aus Russland! Dies ist eine der größten, spannendsten Geschichte der Arktis – und eine der unbekanntesten, schlicht, weil sie aus Russland und nicht aus dem Westen Europas stammt. Sie ist absolut lesenswert, nimmt uns mit in die russische Arktis, durch Franz Joseph Land, auf einen irrwitzigen Irrweg, der seinesgleichen sucht an Ausdauer, Tragik, Durchhaltewillen. 1912 beginnt die Geschichte, als Albanow mit der St. Anna aufbricht, Ziel: Wladiwostok. Das Schiff friert allerdings ein und bleibt zwei Jahre lang im Eis, bis die Mannschaft aufbricht, um zu Fuß zurückzukehren. Es beginnt ein Irrweg der 13 Männer, den nur zwei überleben. Als ich vor Jahren in Franz Joseph Land war, hatte eine wissenschaftliche Expedition gerade eben die menschlichen Überreste eines der Teilnehmer gefunden. Das Tagebuch des Valerian Albanow nun beschreibt diesen Irrweg sehr authentisch und man wähnt die Schmerzen zu spüren, die der Wind in die Haut schneidet.
Ein großartiges Buch, und zu Unrecht so vergessen, ebenso wie die Leistung und der tragische Verlust der Mannschaft.

Anna Kim
Invasionen des Privaten
Literaturverlag Droschl, Essay 63

Das ist mal ganz was anderes. Ein ebenso kleines wie großes Büchlein, das sich in die dänische Kolonialgeschichte in Grönland hineinbohrt wie kein anderes und punktgenau dem Grauen auf den Grund geht, das die Grönländer erleben mussten, als sie nicht mehr Grönländer sein durften, auf einmal. Als alles, woran sie glaubten, falsch war, alles was sie konnten, wertlos, als sie nicht mehr sein durften, wer sie waren, in ihrem eigenen Land, sondern bewertet wurden, und nur noch sein durften, was ihnen erlaubt wurde. Anna Kim beschreibt meisterlich den Schmerz, der aus dem Verlust der Identität entstanden ist, den die „Mischlinge“ aus Grönländern und Dänen erleben mussten, die nirgends zugehörig sind, hier nicht wie dort nicht, die in einem wundervollen Land keine Heimat haben. Beklemmend liest sich das zum Teil, aber auch sehr lehrreich, aufschlussreich auch im Hinblick auf jede Kolonialgeschichte der Erde, jedes indigene Volk, dem sein Wert abgesprochen wurde, um unter Vorspiegelung von Menschlichkeit und Modernisierung doch nur an Land oder Bodenschätze zu gelangen. Keine leichte, aber gehaltvolle Kost.

Arezu Weitholz
Beinahe Alaska
Und zum Schluss doch nochmal was Leichteres: Der Roman von Arezu Weitholz, bei dem man immer wieder schmunzeln muss, erkennt man doch den einen oder anderen Reisegefährten durchaus wieder, mit dem sie es auf ihrem Polarschiff zu tun hat, auf dem sie beinahe nach Alaska fährt. Wer schon in der Arktis war, wird dieses Buch sehr mögen, weil es ohne den üblichen Schnörkelsums auskommt, der so oft angewendet wird, Eisschollen und Eisbären sucht man vergebens, und die expeditionsartigen, haha, Landgänge, werden treffsicher beschrieben. Ein Buch, das man in einem Rutsch unterm Baum weglesen kann.

Ich hoffe, es ist wieder was dabei für Euch oder einen Eurer Lieben.
Frohes Lesen!

Bis nächste Woche!

Eure
Birgit Lutz

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Los geht’s:

Michael Köhlmeier
Spielplatz der Helden
Serie Piper

Ein Buch, das jeder Grönland-Expeditions-Begeisterte gelesen haben muss. Ausgangspunkt des Buchs ist die Expedition der drei Südtiroler Robert Peroni, Josef Schrott und Wolfgang Thomaseth, die Grönland auf dem längsten Weg, an der breitesten Stelle durchquerten, ohne Essensdepots. Eine Leistung, von der lange geglaubt wurde, das sie nicht möglich wäre, weil der Weg zu weit und die Schlitten zu schwer würden. Die psychische Belastung dieser Herausforderung blieb denn auch nicht ohne Wirkung. Wer Peronis „Der weiße Horizont“ gelesen hat, weiß, das einer drei Teilnehmer irgendwann beschloss einfach gar nichts mehr zu reden. 40 Tage lang, keinen Pieps. Köhlmeier nun verwebt die Geschichten der drei Bergsteiger zu einem Roman, den man nicht aufhören kann, zu lesen, und man kann sich durchaus vorstellen, dass gar nicht so viel davon erfunden ist. Sehr lesenswert!

Ragnar Kvam Jr.
Im Schatten
Berlin Verlag

Die Norweger hören das nicht gerne, wenn man es sagt. Aber der Nationalheld Roald Amundsen war kein netter Mann. Sicher hat er Enormes erreicht. Doch die Art, wie er zu seinen Zielen gelangt ist, kann nicht zum Vorbild für Führung dienen. So sehr er seinem Vorbild Nansen nacheiferte, gerecht wurde er ihm gerade bei diesem Thema keineswegs. Besonders deutlich wird das in dem Buch von Ragnar Kvam Jr. „Im Schatten“. Darin wird Hjalmar Johansens Rolle bei Nansens und Amundsens Unternehmungen meisterlich unter die Lupe genommen, und es ist wohl nicht untertrieben, zu sagen, ohne Johansen wäre Nansen nicht weit gekommen und Amundsens Männer am Südpol gleich zu Anfang bitterlich erfroren. Es ist genau dieses Geschehnis, der frühe Start der Expedition, der Umstand, dass Amundsen seine Männer alleine lässt und Johansen sie rettet, um als Dank ausgeschlossen zu werden, der zum Schlüssel für Johansens Unglück wird. Das Buch ist spannend, aufschlussreich, ernüchternd und traurig, aber auch ein großartiges Denkmal für den großen Polarforscher Hjalmar Johansen.

Valerian I. Albanow
Im Reich des weißen Todes
Berliner Taschenbuch Verlag

Und nun mal was aus Russland! Dies ist eine der größten, spannendsten Geschichte der Arktis – und eine der unbekanntesten, schlicht, weil sie aus Russland und nicht aus dem Westen Europas stammt. Sie ist absolut lesenswert, nimmt uns mit in die russische Arktis, durch Franz Joseph Land, auf einen irrwitzigen Irrweg, der seinesgleichen sucht an Ausdauer, Tragik, Durchhaltewillen. 1912 beginnt die Geschichte, als Albanow mit der St. Anna aufbricht, Ziel: Wladiwostok. Das Schiff friert allerdings ein und bleibt zwei Jahre lang im Eis, bis die Mannschaft aufbricht, um zu Fuß zurückzukehren. Es beginnt ein Irrweg der 13 Männer, den nur zwei überleben. Als ich vor Jahren in Franz Joseph Land war, hatte eine wissenschaftliche Expedition gerade eben die menschlichen Überreste eines der Teilnehmer gefunden. Das Tagebuch des Valerian Albanow nun beschreibt diesen Irrweg sehr authentisch und man wähnt die Schmerzen zu spüren, die der Wind in die Haut schneidet.
Ein großartiges Buch, und zu Unrecht so vergessen, ebenso wie die Leistung und der tragische Verlust der Mannschaft.

Anna Kim
Invasionen des Privaten
Literaturverlag Droschl, Essay 63

Das ist mal ganz was anderes. Ein ebenso kleines wie großes Büchlein, das sich in die dänische Kolonialgeschichte in Grönland hineinbohrt wie kein anderes und punktgenau dem Grauen auf den Grund geht, das die Grönländer erleben mussten, als sie nicht mehr Grönländer sein durften, auf einmal. Als alles, woran sie glaubten, falsch war, alles was sie konnten, wertlos, als sie nicht mehr sein durften, wer sie waren, in ihrem eigenen Land, sondern bewertet wurden, und nur noch sein durften, was ihnen erlaubt wurde. Anna Kim beschreibt meisterlich den Schmerz, der aus dem Verlust der Identität entstanden ist, den die „Mischlinge“ aus Grönländern und Dänen erleben mussten, die nirgends zugehörig sind, hier nicht wie dort nicht, die in einem wundervollen Land keine Heimat haben. Beklemmend liest sich das zum Teil, aber auch sehr lehrreich, aufschlussreich auch im Hinblick auf jede Kolonialgeschichte der Erde, jedes indigene Volk, dem sein Wert abgesprochen wurde, um unter Vorspiegelung von Menschlichkeit und Modernisierung doch nur an Land oder Bodenschätze zu gelangen. Keine leichte, aber gehaltvolle Kost.

Arezu Weitholz
Beinahe Alaska
Und zum Schluss doch nochmal was Leichteres: Der Roman von Arezu Weitholz, bei dem man immer wieder schmunzeln muss, erkennt man doch den einen oder anderen Reisegefährten durchaus wieder, mit dem sie es auf ihrem Polarschiff zu tun hat, auf dem sie beinahe nach Alaska fährt. Wer schon in der Arktis war, wird dieses Buch sehr mögen, weil es ohne den üblichen Schnörkelsums auskommt, der so oft angewendet wird, Eisschollen und Eisbären sucht man vergebens, und die expeditionsartigen, haha, Landgänge, werden treffsicher beschrieben. Ein Buch, das man in einem Rutsch unterm Baum weglesen kann.

Ich hoffe, es ist wieder was dabei für Euch oder einen Eurer Lieben.
Frohes Lesen!

Bis nächste Woche!

Eure
Birgit Lutz