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Der Pinguin, der wie ein Esel heißt
Birgit Lutz

Birgit Lutz

In ihrer Polarkolumne, die ab 2021 immer freitags auf unserer Homepage neu erscheint, schreibt die Expeditionsleiterin und Autorin Birgit Lutz über alle Themenfelder der Polarregionen - von großen Erlebnissen und kleinen Momenten auf eigenen Reisen über aktuelle Entwicklungen in Arktis und Antarktis bis hin zu praktischen Informationen für Ihre Reisevorbereitung oder Empfehlungen zur Polarliteratur.

Notizen aus dem Eis 53 – Der Pinguin, der wie ein Esel heißt

Schon beim allerersten Mal, als ich in der Antarktis war und hörte, wie jemand sagte, bald könne man die Eselspinguine sehen, dachte ich mir: Was für ein seltsamer Name!

Eselspinguin. Wieso heißt denn ein Tier nach einem anderen? Gut, es gibt auch Wolfshunde, aber der Wolfshund und der Wolf haben doch ein bisschen mehr Ähnlichkeit als ein Esel mit einem Pinguin? Schon rein Beine-Anzahl-mäßig?

Warum also Eselspinguin? Weil – das wird einem sofort klar, wenn man da ist, wo die Pinguine sind und die Augen zumacht – sie zwar ganz anders als Esel riechen; aber sie hören sich genauso an. Sie schreien oder iahen (das ist wirklich ein Wort), tatsächlich wie Esel. Das ist einigermaßen skurril, wenn man diese putzigen Gesellen auf sich zuwatscheln sieht, so possierlich und lieblich, und kurz vor einem stoßen sie dann einen Schrei aus, der selbst die echten Grautiere die Langohren anlegen ließe. Der eselsähnliche Schrei also, deswegen heißen Eselspinguine Eselspinguine.

Und diesen Schrei lassen sie ziemlich oft hören. In der Fachliteratur heißt das: Der Eselspinguin ist sehr ruffreudig. Übersetzt heißt das: Sie machen einen Mordskrach. Dieser Krach ist regional unterschiedlich, die Eselspinguine auf der Macquarie, Crozet und Kerguelen Insel beispielsweise rufen anders als diejenigen auf den Falklandinseln und Südgeorgien, die man üblicherweise auf den langen Antarktisreisen zu hören bekommt.

Am allerintensivsten wird die Ruffreudigkeit, wenn es, wie immer, um die Fortpflanzung geht. Die Pinguine strecken dann ihren Kopf und Hals senkrecht in die Luft und iahen, was das Zwerchfell hergibt. Eine Serie aus ah – aha – aha – aha, so beschreiben die Tierfachleute den Ruf. Einfach wie ein Esel, eben, ein immer etwas heiser klingendes, von sehr weit hinten in der Kehle kommendes durchdringendes Geräusch.

Wegen ihres roten Schnabels heißen sie manchmal auch Rotschnabelpinguine, was ebenso einleuchtend ist. Sie gehören zur Gattung der Langschwanzpinguine und sind am engsten mit den Adélie- und Zügelpinguinen verwandt. Sie sind auch gar nicht so klein, sie werden bis 90 Zentimeter groß – größer sind nur noch die Könige und Kaiser, natürlich.

Die Eselspinguine sind auch ganz sicher bessere Schwimmer als echte Esel: Sie halten den Rekord unter den Pinguinen! Bis zu 36 km/h erreichen die wendigen Tiere im Wasser, eine enorme Geschwindigkeit! Zu der raffen sie sich allerdings selten auf, meistens gehen sie es gemütlicher an.

Die Eselspinguine gehören zu den glücklichen Tierarten, die als ungefährdet eingestuft werden – 774.000 Vögel gibt es schätzungsweise von ihnen. Der Bestand hat, menschenbedingt, in der Vergangenheit sehr geschwankt: Im 19. Jahrhundert schickte es sich, Pinguineier zu verspeisen. Die erwachsenen Pinguine wurden gerne auch zum Heizen hergenommen, was so gesehen auch nicht schlimmer ist, als heutzutage Küken zu schreddern, nur weil sie keine Eier legen. Beheizt wurden weniger Behausungen als Schiffe mit ihnen, die Walfangschiffe im Südatlantik verheizten gerne mal 70.000 Pinguine pro Saison. Also, ein Schiff alleine. Man stelle sich vor, wie viele Schiffe und wie viele Pinguine…
Als man aber besser wurde im Walfang und im Einheizen mit Wal-Öl, ließ man von den kleinen Vögeln ab. Prompt konnte sich der Bestand dann auch wieder erholen, vor allem, weil nun die Nahrungskonkurrenten – die Wale – auf einmal drastisch weniger wurden, und die Pinguine nur so im Krill schwelgen konnten.

Tja, sie wohnen weit weg, die Eselspinguine. Aber nicht weit genug.

Als Wohnung bevorzugt der Eselspinguin zur nichtübermäßigen Abkühlung seines Hinterteils einen eisfreien Untergrund. Er brütet lieber zwischen Gras und nimmt dafür auch mal zwei Kilometer lange Wege ins Binnenland in Kauf, auf Südgeorgien zum Beispiel. Eine enorme Strecke, wenn man bedenkt, dass diese kleinen Tierchen pünktlich wie ein Uhrwerk jeden Tag zwischen fünf und sieben Uhr morgens die Kolonie verlassen und fischen gehen, und mittags zurück kehren um ihren Partner abzulösen beim Brüten. Gebrütet wird auf einem Stein-Nest, meistens zwei Eier, die im September gelegt und etwa 35 Tage bebrütet werden. Noch einmal 30 Tage bleiben dann die Küken in den Nestern, gut verborgen zwischen den Füßen ihrer Eltern.

Nach dieser Zeit bekommen sie ein erstes Gefieder und mausern sich noch einmal nach etwa 100 Tagen – erst mit diesem Gefieder können sie dann ins Meer höpsen und ihre Schwimm-Rekorde aufstellen – und bis zu 200 Meter tief tauchen.

Wieder einmal ein ziemlich großes, kleines Tier!

Bis in zwei Wochen!

Eure
Birgit Lutz

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Eselspinguin. Wieso heißt denn ein Tier nach einem anderen? Gut, es gibt auch Wolfshunde, aber der Wolfshund und der Wolf haben doch ein bisschen mehr Ähnlichkeit als ein Esel mit einem Pinguin? Schon rein Beine-Anzahl-mäßig?

Warum also Eselspinguin? Weil – das wird einem sofort klar, wenn man da ist, wo die Pinguine sind und die Augen zumacht – sie zwar ganz anders als Esel riechen; aber sie hören sich genauso an. Sie schreien oder iahen (das ist wirklich ein Wort), tatsächlich wie Esel. Das ist einigermaßen skurril, wenn man diese putzigen Gesellen auf sich zuwatscheln sieht, so possierlich und lieblich, und kurz vor einem stoßen sie dann einen Schrei aus, der selbst die echten Grautiere die Langohren anlegen ließe. Der eselsähnliche Schrei also, deswegen heißen Eselspinguine Eselspinguine.

Und diesen Schrei lassen sie ziemlich oft hören. In der Fachliteratur heißt das: Der Eselspinguin ist sehr ruffreudig. Übersetzt heißt das: Sie machen einen Mordskrach. Dieser Krach ist regional unterschiedlich, die Eselspinguine auf der Macquarie, Crozet und Kerguelen Insel beispielsweise rufen anders als diejenigen auf den Falklandinseln und Südgeorgien, die man üblicherweise auf den langen Antarktisreisen zu hören bekommt.

Am allerintensivsten wird die Ruffreudigkeit, wenn es, wie immer, um die Fortpflanzung geht. Die Pinguine strecken dann ihren Kopf und Hals senkrecht in die Luft und iahen, was das Zwerchfell hergibt. Eine Serie aus ah – aha – aha – aha, so beschreiben die Tierfachleute den Ruf. Einfach wie ein Esel, eben, ein immer etwas heiser klingendes, von sehr weit hinten in der Kehle kommendes durchdringendes Geräusch.

Wegen ihres roten Schnabels heißen sie manchmal auch Rotschnabelpinguine, was ebenso einleuchtend ist. Sie gehören zur Gattung der Langschwanzpinguine und sind am engsten mit den Adélie- und Zügelpinguinen verwandt. Sie sind auch gar nicht so klein, sie werden bis 90 Zentimeter groß – größer sind nur noch die Könige und Kaiser, natürlich.

Die Eselspinguine sind auch ganz sicher bessere Schwimmer als echte Esel: Sie halten den Rekord unter den Pinguinen! Bis zu 36 km/h erreichen die wendigen Tiere im Wasser, eine enorme Geschwindigkeit! Zu der raffen sie sich allerdings selten auf, meistens gehen sie es gemütlicher an.

Die Eselspinguine gehören zu den glücklichen Tierarten, die als ungefährdet eingestuft werden – 774.000 Vögel gibt es schätzungsweise von ihnen. Der Bestand hat, menschenbedingt, in der Vergangenheit sehr geschwankt: Im 19. Jahrhundert schickte es sich, Pinguineier zu verspeisen. Die erwachsenen Pinguine wurden gerne auch zum Heizen hergenommen, was so gesehen auch nicht schlimmer ist, als heutzutage Küken zu schreddern, nur weil sie keine Eier legen. Beheizt wurden weniger Behausungen als Schiffe mit ihnen, die Walfangschiffe im Südatlantik verheizten gerne mal 70.000 Pinguine pro Saison. Also, ein Schiff alleine. Man stelle sich vor, wie viele Schiffe und wie viele Pinguine…
Als man aber besser wurde im Walfang und im Einheizen mit Wal-Öl, ließ man von den kleinen Vögeln ab. Prompt konnte sich der Bestand dann auch wieder erholen, vor allem, weil nun die Nahrungskonkurrenten – die Wale – auf einmal drastisch weniger wurden, und die Pinguine nur so im Krill schwelgen konnten.

Tja, sie wohnen weit weg, die Eselspinguine. Aber nicht weit genug.

Als Wohnung bevorzugt der Eselspinguin zur nichtübermäßigen Abkühlung seines Hinterteils einen eisfreien Untergrund. Er brütet lieber zwischen Gras und nimmt dafür auch mal zwei Kilometer lange Wege ins Binnenland in Kauf, auf Südgeorgien zum Beispiel. Eine enorme Strecke, wenn man bedenkt, dass diese kleinen Tierchen pünktlich wie ein Uhrwerk jeden Tag zwischen fünf und sieben Uhr morgens die Kolonie verlassen und fischen gehen, und mittags zurück kehren um ihren Partner abzulösen beim Brüten. Gebrütet wird auf einem Stein-Nest, meistens zwei Eier, die im September gelegt und etwa 35 Tage bebrütet werden. Noch einmal 30 Tage bleiben dann die Küken in den Nestern, gut verborgen zwischen den Füßen ihrer Eltern.

Nach dieser Zeit bekommen sie ein erstes Gefieder und mausern sich noch einmal nach etwa 100 Tagen – erst mit diesem Gefieder können sie dann ins Meer höpsen und ihre Schwimm-Rekorde aufstellen – und bis zu 200 Meter tief tauchen.

Wieder einmal ein ziemlich großes, kleines Tier!

Bis in zwei Wochen!

Eure
Birgit Lutz