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Heleysund, Foto: Birgit Lutz
Heleysund, Foto: Birgit Lutz
Birgit Lutz

Birgit Lutz

In ihrer Polarkolumne, die ab 2021 immer freitags auf unserer Homepage neu erscheint, schreibt die Expeditionsleiterin und Autorin Birgit Lutz über alle Themenfelder der Polarregionen - von großen Erlebnissen und kleinen Momenten auf eigenen Reisen über aktuelle Entwicklungen in Arktis und Antarktis bis hin zu praktischen Informationen für Ihre Reisevorbereitung oder Empfehlungen zur Polarliteratur.

Notizen aus dem Eis 66 – Der Heleysund – spannende Passage

Heute wollen wir einfach mal wieder eine schöne Reise unternehmen, genauer, eine der Stellen besuchen, die für mich die schönsten auf Spitzbergen-Umrundungen sind: der Heleysund.

Zuerst einmal: Was ist eigentlich ein Sund? Ein Sund ist eine Wasserstraße, an beiden Seiten offen, also eine Durchfahrt zwischen Landmassen. Das unterscheidet den Sund vom Fjord, der von Gletschern in die Landschaft gefräst wurde, die sich vom Berg ins Tal wälzten, und als sie abschmolzen, salopp formuliert, voll gelaufene Badewannen hinterließen. Fjorde also haben, wenn man vom Meer kommt, ein Ende, Sunde nicht.

Der Heleysund nun ist eine Wasserstraße im Osten des Archipels, zwischen der Hauptinsel Spitzbergens und der Barentsøya. Inmitten dieser Wasserstraße liegt eine Insel, die Kükenthaløya, die die Durchfahrt noch ein bisschen spannender macht.

Was ist hier so spannend?
An dieser Stelle spüren wir die enorme Kraft der Gezeitenströmung. Der Lauf von Ebbe und Flut entwickelt an dieser Stelle eine so starke Strömung, dass jeder Durchfahrt viele Berechnungen vorausgehen: Wann ist hier Ebbe und wann ist Flut? Das ist hier die wichtigste Frage, denn mit den Gezeiten ändert sich die Richtung des Wassers, und wenn die Strömung am stärksten ist, will man weder mit ihr noch gegen sie fahren.

Noch wichtiger wird das in den Zeiten der Springfluten. Macht man hier einen Fehler und fährt ein, wenn die Strömung am stärksten ist, kann es passieren, dass man die Durchfahrt entweder gar nicht schafft oder unkontrolliert durch das Gewässer gespült wird. Beides lässt man lieber.

Diese Durchfahrt ist also auch wieder etwas, was man nur machen kann, wenn viele Bedingungen passen. Nicht nur die passende Zeit nach der Strömung, hier sollte auch kein Nebel herrschen, kein Sturm, und Eis will man hier auch nicht im Wasser haben, denn auch große Schollen können hier zu einer ernstzunehmenden Gefahr werden – denn sie haben ja keinen Kapitän und werden uns nicht ausweichen.

Ich plane meine Umrundungen immer so, dass die Gäste, wenn möglich, die Durchfahrt miterleben können, also nicht mitten in der Nacht. Denn es ist ein wunderbarer Ort, den man einfach sehen muss, ganz abgesehen von dem Wasserschauspiel.

Wir sind hier von Basalt umgehen, sowohl an der Hauptinsel als auch auf der Kükenthaloya ragen dunkle Basaltschlöte in den Himmel, die einen zauberhaften Kontrast mit dem blauen Himmel und noch blaueren Wasser bilden. Wenn wir auf die Durchfahrt zufahren, beginnt sich das Wasser um uns zu verändern. Kleine Eisbröckchen driften uns nah am Schiff entgegen, während in einiger Entfernung größere Stücke kurioserweise in die entgegengesetzte Richtung reisen. Strudel und richtige Stufen in der Wasseroberfläche sind zu sehen.
Hier spüren wir die Bewegungen des ganzen Ozeans, ein ganz eigentümliches Gefühl ist das! Kein anderes Schiff ist hier zu sehen, denn diese Durchfahrt ist nur für die kleinen Schiffchen, die großen müssen außen herum um die Barentsøya fahren, was auch hübsch, aber weniger spannend ist.

Sogar unter Deck hört man, dass wir in einer besonderen Unterwassergegend sind, es plitscht und gurgelt und klingt ganz anders als sonst. Die Brückenbesatzung behält immer konzentriert die Instrumente im Blick; wir erlauben Gästen, auf der Brücke zu sein, auch hier – aber wir müssen eiswüstenstill sein. Manchmal neigt sich das Schiff zur Seite, wenn es einen Strudel durchfährt, manchmal knallt es, wenn es gegen eine Welle anschwimmt. Wasser ist eben auch nicht immer Wasser, das sieht man hier sehr genau.

Für mich sind solche Momente das, was eine Schifffahrt ausmacht: Dass man auch merkt, man ist auf einem Schiff, dass man das Meer kennenlernt und sieht, wieviele Berechnungen die Brückenleute anstellen müssen, wie einfach und doch komplex eigentlich alles ist.
Ich freue mich schon sehr auf die nächste Fahrt durch den Heleysund!

Bis in zwei Wochen!

Eure
Birgit Lutz

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Der Heleysund nun ist eine Wasserstraße im Osten des Archipels, zwischen der Hauptinsel Spitzbergens und der Barentsøya. Inmitten dieser Wasserstraße liegt eine Insel, die Kükenthaløya, die die Durchfahrt noch ein bisschen spannender macht.

Was ist hier so spannend?
An dieser Stelle spüren wir die enorme Kraft der Gezeitenströmung. Der Lauf von Ebbe und Flut entwickelt an dieser Stelle eine so starke Strömung, dass jeder Durchfahrt viele Berechnungen vorausgehen: Wann ist hier Ebbe und wann ist Flut? Das ist hier die wichtigste Frage, denn mit den Gezeiten ändert sich die Richtung des Wassers, und wenn die Strömung am stärksten ist, will man weder mit ihr noch gegen sie fahren.

Noch wichtiger wird das in den Zeiten der Springfluten. Macht man hier einen Fehler und fährt ein, wenn die Strömung am stärksten ist, kann es passieren, dass man die Durchfahrt entweder gar nicht schafft oder unkontrolliert durch das Gewässer gespült wird. Beides lässt man lieber.

Diese Durchfahrt ist also auch wieder etwas, was man nur machen kann, wenn viele Bedingungen passen. Nicht nur die passende Zeit nach der Strömung, hier sollte auch kein Nebel herrschen, kein Sturm, und Eis will man hier auch nicht im Wasser haben, denn auch große Schollen können hier zu einer ernstzunehmenden Gefahr werden – denn sie haben ja keinen Kapitän und werden uns nicht ausweichen.

Ich plane meine Umrundungen immer so, dass die Gäste, wenn möglich, die Durchfahrt miterleben können, also nicht mitten in der Nacht. Denn es ist ein wunderbarer Ort, den man einfach sehen muss, ganz abgesehen von dem Wasserschauspiel.

Wir sind hier von Basalt umgehen, sowohl an der Hauptinsel als auch auf der Kükenthaloya ragen dunkle Basaltschlöte in den Himmel, die einen zauberhaften Kontrast mit dem blauen Himmel und noch blaueren Wasser bilden. Wenn wir auf die Durchfahrt zufahren, beginnt sich das Wasser um uns zu verändern. Kleine Eisbröckchen driften uns nah am Schiff entgegen, während in einiger Entfernung größere Stücke kurioserweise in die entgegengesetzte Richtung reisen. Strudel und richtige Stufen in der Wasseroberfläche sind zu sehen.
Hier spüren wir die Bewegungen des ganzen Ozeans, ein ganz eigentümliches Gefühl ist das! Kein anderes Schiff ist hier zu sehen, denn diese Durchfahrt ist nur für die kleinen Schiffchen, die großen müssen außen herum um die Barentsøya fahren, was auch hübsch, aber weniger spannend ist.

Sogar unter Deck hört man, dass wir in einer besonderen Unterwassergegend sind, es plitscht und gurgelt und klingt ganz anders als sonst. Die Brückenbesatzung behält immer konzentriert die Instrumente im Blick; wir erlauben Gästen, auf der Brücke zu sein, auch hier – aber wir müssen eiswüstenstill sein. Manchmal neigt sich das Schiff zur Seite, wenn es einen Strudel durchfährt, manchmal knallt es, wenn es gegen eine Welle anschwimmt. Wasser ist eben auch nicht immer Wasser, das sieht man hier sehr genau.

Für mich sind solche Momente das, was eine Schifffahrt ausmacht: Dass man auch merkt, man ist auf einem Schiff, dass man das Meer kennenlernt und sieht, wieviele Berechnungen die Brückenleute anstellen müssen, wie einfach und doch komplex eigentlich alles ist.
Ich freue mich schon sehr auf die nächste Fahrt durch den Heleysund!

Bis in zwei Wochen!

Eure
Birgit Lutz