Auf einer subantarktischen Vulkaninsel könnte in nicht allzu ferner Zukunft ein Feuerwerk zu sehen sein, das alle Böller der Welt verblassen ließe.
Auf dem Weg von Südamerika in die Antarktis kommt man mit einem kleinen Schlenker an der Deception Insel vorbei, einer der Südlichen Shetlandinseln. Was da aus dem Wasser ragt, ist der Gipfel eines Vulkans, der vom Meeresboden gemessen 1500 Meter weit aufsteigt. Das ist nicht besonders hoch, aber diese Insel ist dennoch spektakulär in jeder Hinsicht – und auch mit Vorsicht zu genießen.
Nähert man sich der Deception Insel an, sieht sie erst einmal wie eine ganz normale Insel aus. Das täuscht aber, was ein Grund für ihren Namen ist, denn deception bedeutet Täuschung. Die Insel ist nämlich eher ein Ring, sie ist der geflutete Krater des Vulkans, dessen Wände an einer kleinen Stelle eingebrochen sind – und über diesen kleinen Durchlass, der auch „Neptuns Blasebalg“ genannt wird, können also Schiffe in das Innere des Vulkans fahren. Ja, das ist genauso spannend, wie es sich anhört. Dieser Durchlass ist überdies auch nicht gleichmäßig eingebrochen und es gibt Schiffe, die dort schon Untiefen gefunden haben.
Hat man den Blasebalg durchfahren öffnet sich um einen herum ein Krater mit etwa 15 Kilometern Durchmesser, die Caldera bildet einen großen, natürlichen Hafen, in dem man vor dem außerhalb des Vulkans herrschenden Wettern einigermaßen geschützt ist. Der Vulkan allerdings ist immer noch aktiv; zum letzten Mal ist er 1970 ausgebrochen, und die geothermale Aktivität kann das Wasser schon mal auf 70 Grad aufheizen. Für einen mutigen polar plunge wäre das nicht nur unehrlich, sondern auch, naja, ein bisschen zu warm – und das ist übrigens auch in normalen Zeiten so, denn das Wasser dort liegt vor allem an den flacheren Stellen nicht selten bei zehn Grad.
Den geschützten Krater nutzten seit seiner Entdeckung im Jahr 1820 Seefahrer, Walfänger und Wissenschaftler für Ihre Aktivitäten. So ist es nur logisch, dass das größte Örtchen Whalers Bay heißt. Ähnlich wie in Grytviken auf Südgeorgien ragen hier die rostigen traurigen Überreste der Walfangzeit in den Himmel, gewaltige Tanks, in denen das Öl gelagert wurde, Öfen, in denen es gekocht wurde und allerlei Gerätschaften, die Wale an Land zu hieven und zu zerlegen.
Verlassene Häuser einer britischen Forschungsstation erzählen von einem Vulkanausbruch 1969 und der schnellen damaligen Evakuierung. Um all das weht schwarzer Vulkansand; es ist ein melancholisches Bild, das sich auf Landgängen hier bietet, aber auch ein wunderschönes, wenn man die Gebäudereste erst einmal hinter sich gelassen hat. Vulkanbuntes Gestein, noch weitere Kraterseen, Schneereste, alles fügt sich hier zu einem Bild zusammen, das es wohl nirgendwo sonst so auf der Welt gibt.
Selbst, wenn man sich nicht für Geologie interessiert, ist es spannend, was hier auf Deception passiert: Entstanden ist die Insel wohl vor etwa 150.000 Jahren, aber erst vor 10.000 Jahren brach der Kraterrand bei einem heftigen Ausbruch ein, bei dem rund 30 Quadrat-Kubik-Kilometer Masse ausgestoßen wurden – man stelle sich diese Menge vor!
Messungen der jüngsten Zeit haben ergeben, dass sich der Boden der Caldera hebt, der etwa 165 Meter unter dem Meeresspiegel liegt. Und zwar gar nicht so wenig: Etwa 30 Zentimeter pro Jahr kommt der Boden weiter nach oben, so wie der Ring eines Schnellkochtopfs, der durch den Druck darunter nach oben gepresst wird. Das könnte laut Vulkanologen auf ein langsames Aufwachen des Vulkans hindeuten. Deswegen wird er auch recht engmaschig überwacht, um hier keine Überraschungen zu erleben.
Wer Silvester in die Antarktis reist, muss auf ein Feuerwerk ja verzichten. Weder will man noch zusätzlichen Feinstaub in die Luft blasen noch den Müll der Feuerwerkskörper ins Meer fallen lassen. Aber man stelle sich vor, was es für ein Feuerwerk wäre, würde eines Tages, wenn kein Schiff in der Nähe ist, dieser Vulkan erneut ausbrechen!
Frohes Neues!
Eure
Birgit Lutz