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Birgit Lutz

In ihrer Polarkolumne, die ab 2021 immer freitags auf unserer Homepage neu erscheint, schreibt die Expeditionsleiterin und Autorin Birgit Lutz über alle Themenfelder der Polarregionen - von großen Erlebnissen und kleinen Momenten auf eigenen Reisen über aktuelle Entwicklungen in Arktis und Antarktis bis hin zu praktischen Informationen für Ihre Reisevorbereitung oder Empfehlungen zur Polarliteratur.

Notizen aus dem Eis 106 – Die Gryllteisten – Schnelltaucher und Partyvögel

Die Gryllteiste ist ein kleiner, hübscher Vogel, von der es in Spitzbergen die noch wenig bekannte Unterart der Party-Teiste gibt.

Den Namen der Gryllteiste habe ich schon unzählige Male buchstabiert, weil ihn keiner kennt. Dabei gibt es wohl beinahe 400.000 Exemplare davon auf der Welt, zugegeben allerdings zumeist weiter im Norden. Erspäht man also in Spitzbergen eins der zierlichen Wesen, muss man gleich mal buchstabieren mit den Gästen.

In Spitzbergen fühlen sich die Gryllteisten wohl, wobei sie so gut wie zirkumpolar in der Arktis zu finden sind, sogar bis nach Irland, Schweden oder Schottland kommen die Teisten nach Süden. Sie überwintern meistens in Meeresregionen, die im Winter nicht zufrieren, aber nicht allzu weit von ihren Brutgebieten entfernt liegen. Die Gryllteisten Spitzbergens fliegen denn auch nicht besonders weit, sie bleiben den Winter über an der Eiskante und kommen im Mai zurück auf die Inseln.

Das auffälligste Merkmal dieses etwa 35 Zentimeter kleinen Vögelchens sind seine knallroten Beine und Füße, die auch noch mit Schwimmhäuten versehen sind und im Verhältnis zum restlichen Körper deswegen recht riesig wirken. Das gibt der Teiste zu Unrecht ein etwas tolpatschiges Aussehen, denn tolpatschig ist dieser kleine Flugkünstler gar nicht.

Auch gut erkennbar sind die Gryllteisten an ihrer auffälligen Färbung des Prachtkleids, das man ja in Spitzbergen vorwiegend zu sehen bekommt: Federn wie Schnabel sind schwarzbraun, nur an den Flügeln gibt es ein längliches, weißes Feld. Im Schlichtkleid ist die Teiste überwiegend weiß, aber das trägt sie außerhalb der üblichen Spitzbergen-Reisezeiten.

Teisten paddeln in seichten Stellen in Fjorden oft auf dem Wasser herum und stecken ihren Kopf kurz unter Wasser. Dann tauchen sie häufig recht unvermittelt ab; es wirkt manchmal beinahe so, als seien sie von einem Strudel – schwupps – unter Wasser gezogen worden. Einfach weg. Das machen sie deswegen so abrupt, weil sie dadurch fette Beute machen können, unter Fischen und Krebstierchen, Mollusken und Borstenwürmern. Bis zu fünfzig Meter tief können die Teisten tauchen, aber meistens jagen sie in flacheren Wassern.

Und sogar die Tauchdauer ist von der Gryllteiste schon ausgemessen worden: Durchschnittlich 73 Sekunden. Deswegen verlieren einige Fotografen auch die Geduld, wenn die Teiste weg geblubbt ist, denn es dauert dann eben, bis sie wieder nach oben kommt – und das tut sie selten an der gleichen Stelle, sondern meistens ganz woanders. Das Auftauchen ist dann ebenso unvermittelt. Schwupp, ist sie einfach wieder da. Nach einer halben Minute dann aber auch schon wieder weg.

Mein lustigstes Erlebnis mit einer Gryllteiste war auf der Plancius in Spitzbergen. Auf der Plancius gibt es einmal pro Reise ein Grillfest auf dem Achterdeck, eine schöne Abwechslung im Reisealltag. Man könnte dazu schöne klassische Musik auflegen oder gar keine, meist fällt die Wahl aber auf Partymusik vom Allerfeinsten. Wer nun glaubt, so laute Musik müsse doch die Tierwelt stören: Wir haben tatsächlich einmal mehrere Gryllteisten beobachtet, die, sobald die Musik erklungen war, aus größerer Entfernung herbei paddelten. Sie kamen mit enormer Bugwelle bis direkt unter das Achterdeck heran und äugten neugierig zu uns herauf. Und dann: Fingen sie an, im Takt mit dem Kopf zu wippen! Echt. Sie bewegten ihren Kopf rhythmisch nach vorne und hinten, genau im Takt der Musik. Sie tauchten auch nicht unter, sondern blieben eine ganze Weile und umpften fröhlich vor sich hin. Leider haben wir davon keine Video-Aufnahmen, denn vermutlich haben wir dabei eine neue Art entdeckt: Die noch unbekannte Spitzbergische Party-Teiste.

Wenn sie nicht gerade umpfen oder fressen, brüten die Gryllteisten an felsigen Inseln oder Klippen. Sie mögen dabei Felsspalten oder große Steine, zwischen die sie ihre Eier legen können. Wenn es menschliche Bauten gibt, können sie auch mal in Löchern von Hafenmauern brüten, aber das kommt in Spitzbergen ja nun eher selten vor. Die kleine Teiste ist dabei eher unsozial, sie sammelt sich nicht in so riesigen Kolonien wie die Dickschnabellummen oder Krabbentaucher, sondern macht es sich eher klein und fein, mit nur wenigen Brutpaaren. Ob die Party-Teiste hier eine Ausnahme macht, ist nicht bekannt.

Die Teiste ist dabei der einzige Alkenvogel, der meistens zwei Eier legt. Rund 30 Tage werden die Eier von Weibchen und Männchen gleichermaßen bebrütet, wobei meistens das Weibchen tagsüber und das Männchen nachts dran ist, was in Spitzbergen nun keinen großen Unterschied macht. Auch der geschlüpfte Nachwuchs wird von beiden Eltern versorgt. Nach weiteren etwa 30 Tagen sind die Jungen flügge. Geschlechtsreif werden sie frühestens mit zwei Jahren. Sie sind dann saisonal monogam, kommen aber häufig sowohl an den gleichen Brutplatz zurück als auch zum gleichen Partner.

In Spitzbergen wird die Population auf etwa 10 000 Brutpaare geschätzt, leider haben wir mittlerweile schon einige der schönen Tiere verheddert in den Ballen aus Packstreifen gefunden, die in Spitzbergen häufig umhertreiben und wohl von den Fischereischiffen stammen, die ihren Fisch gleich auf See verpacken. Auch in Netzen haben wir schon Gryllteisten und andere Vögel gefunden, die darin jämmerlich ertrunken waren. Diese Netze und Seile und Verpackungen sind eine der größten Bedrohungen für Meeresvögel, sollten sie sich auf dem Meer doch eigentlich sicher fühlen können vor ihren natürlichen Feinden an Land, sämtlichen Nagern, die es so gibt. Der Polarfuchs freut sich immer über einen Teisten-Snack, beispielsweise.

Es gibt jedoch genügend davon, um sie bei einem Spitzbergenbesuch im Sommer mit Sicherheit zu sehen. Wer will, kann dann ja ausprobieren, ob er es auch wieder mit der Unterart der Party-Teiste zu tun hat und kurz mal rhythmische Musik erschallen lassen.

Bis in zwei Wochen!

Eure
Birgit Lutz

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In Spitzbergen fühlen sich die Gryllteisten wohl, wobei sie so gut wie zirkumpolar in der Arktis zu finden sind, sogar bis nach Irland, Schweden oder Schottland kommen die Teisten nach Süden. Sie überwintern meistens in Meeresregionen, die im Winter nicht zufrieren, aber nicht allzu weit von ihren Brutgebieten entfernt liegen. Die Gryllteisten Spitzbergens fliegen denn auch nicht besonders weit, sie bleiben den Winter über an der Eiskante und kommen im Mai zurück auf die Inseln.

Das auffälligste Merkmal dieses etwa 35 Zentimeter kleinen Vögelchens sind seine knallroten Beine und Füße, die auch noch mit Schwimmhäuten versehen sind und im Verhältnis zum restlichen Körper deswegen recht riesig wirken. Das gibt der Teiste zu Unrecht ein etwas tolpatschiges Aussehen, denn tolpatschig ist dieser kleine Flugkünstler gar nicht.

Auch gut erkennbar sind die Gryllteisten an ihrer auffälligen Färbung des Prachtkleids, das man ja in Spitzbergen vorwiegend zu sehen bekommt: Federn wie Schnabel sind schwarzbraun, nur an den Flügeln gibt es ein längliches, weißes Feld. Im Schlichtkleid ist die Teiste überwiegend weiß, aber das trägt sie außerhalb der üblichen Spitzbergen-Reisezeiten.

Teisten paddeln in seichten Stellen in Fjorden oft auf dem Wasser herum und stecken ihren Kopf kurz unter Wasser. Dann tauchen sie häufig recht unvermittelt ab; es wirkt manchmal beinahe so, als seien sie von einem Strudel – schwupps – unter Wasser gezogen worden. Einfach weg. Das machen sie deswegen so abrupt, weil sie dadurch fette Beute machen können, unter Fischen und Krebstierchen, Mollusken und Borstenwürmern. Bis zu fünfzig Meter tief können die Teisten tauchen, aber meistens jagen sie in flacheren Wassern.

Und sogar die Tauchdauer ist von der Gryllteiste schon ausgemessen worden: Durchschnittlich 73 Sekunden. Deswegen verlieren einige Fotografen auch die Geduld, wenn die Teiste weg geblubbt ist, denn es dauert dann eben, bis sie wieder nach oben kommt – und das tut sie selten an der gleichen Stelle, sondern meistens ganz woanders. Das Auftauchen ist dann ebenso unvermittelt. Schwupp, ist sie einfach wieder da. Nach einer halben Minute dann aber auch schon wieder weg.

Mein lustigstes Erlebnis mit einer Gryllteiste war auf der Plancius in Spitzbergen. Auf der Plancius gibt es einmal pro Reise ein Grillfest auf dem Achterdeck, eine schöne Abwechslung im Reisealltag. Man könnte dazu schöne klassische Musik auflegen oder gar keine, meist fällt die Wahl aber auf Partymusik vom Allerfeinsten. Wer nun glaubt, so laute Musik müsse doch die Tierwelt stören: Wir haben tatsächlich einmal mehrere Gryllteisten beobachtet, die, sobald die Musik erklungen war, aus größerer Entfernung herbei paddelten. Sie kamen mit enormer Bugwelle bis direkt unter das Achterdeck heran und äugten neugierig zu uns herauf. Und dann: Fingen sie an, im Takt mit dem Kopf zu wippen! Echt. Sie bewegten ihren Kopf rhythmisch nach vorne und hinten, genau im Takt der Musik. Sie tauchten auch nicht unter, sondern blieben eine ganze Weile und umpften fröhlich vor sich hin. Leider haben wir davon keine Video-Aufnahmen, denn vermutlich haben wir dabei eine neue Art entdeckt: Die noch unbekannte Spitzbergische Party-Teiste.

Wenn sie nicht gerade umpfen oder fressen, brüten die Gryllteisten an felsigen Inseln oder Klippen. Sie mögen dabei Felsspalten oder große Steine, zwischen die sie ihre Eier legen können. Wenn es menschliche Bauten gibt, können sie auch mal in Löchern von Hafenmauern brüten, aber das kommt in Spitzbergen ja nun eher selten vor. Die kleine Teiste ist dabei eher unsozial, sie sammelt sich nicht in so riesigen Kolonien wie die Dickschnabellummen oder Krabbentaucher, sondern macht es sich eher klein und fein, mit nur wenigen Brutpaaren. Ob die Party-Teiste hier eine Ausnahme macht, ist nicht bekannt.

Die Teiste ist dabei der einzige Alkenvogel, der meistens zwei Eier legt. Rund 30 Tage werden die Eier von Weibchen und Männchen gleichermaßen bebrütet, wobei meistens das Weibchen tagsüber und das Männchen nachts dran ist, was in Spitzbergen nun keinen großen Unterschied macht. Auch der geschlüpfte Nachwuchs wird von beiden Eltern versorgt. Nach weiteren etwa 30 Tagen sind die Jungen flügge. Geschlechtsreif werden sie frühestens mit zwei Jahren. Sie sind dann saisonal monogam, kommen aber häufig sowohl an den gleichen Brutplatz zurück als auch zum gleichen Partner.

In Spitzbergen wird die Population auf etwa 10 000 Brutpaare geschätzt, leider haben wir mittlerweile schon einige der schönen Tiere verheddert in den Ballen aus Packstreifen gefunden, die in Spitzbergen häufig umhertreiben und wohl von den Fischereischiffen stammen, die ihren Fisch gleich auf See verpacken. Auch in Netzen haben wir schon Gryllteisten und andere Vögel gefunden, die darin jämmerlich ertrunken waren. Diese Netze und Seile und Verpackungen sind eine der größten Bedrohungen für Meeresvögel, sollten sie sich auf dem Meer doch eigentlich sicher fühlen können vor ihren natürlichen Feinden an Land, sämtlichen Nagern, die es so gibt. Der Polarfuchs freut sich immer über einen Teisten-Snack, beispielsweise.

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