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Blue whale spouting and seagull flying through the mist
Blue whale spouting and seagull flying through the mist
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Birgit Lutz

In ihrer Polarkolumne, die ab 2021 immer freitags auf unserer Homepage neu erscheint, schreibt die Expeditionsleiterin und Autorin Birgit Lutz über alle Themenfelder der Polarregionen - von großen Erlebnissen und kleinen Momenten auf eigenen Reisen über aktuelle Entwicklungen in Arktis und Antarktis bis hin zu praktischen Informationen für Ihre Reisevorbereitung oder Empfehlungen zur Polarliteratur.

Notizen aus dem Eis 113 | Ein gutes Wal-Jahr?

Vielleicht haben die Wale Glück, dieses Jahr. Zumindest die, die rundum Island unterwegs sind. Vielleicht werden sie 2024 nur mit Kameras und nicht mit Harpunen gejagt.

Mit der Waljagd ist das ja so eine Sache, man kann sich kaum vernünftig darüber unterhalten, weil es ein emotional so aufgeladenes Thema ist. Auf der einen Seite reichen die Argumente von zu erhaltenden Arbeitsplätzen und wirtschaftlichen Interessen über Traditionen und der identitätsstiftenden Wirkung des Walfangs bis hin zum Walfang als Beweis von Männlichkeit, auf der anderen Seite wird dagegen von einer aus der Zeit gefallenen Barbarei gesprochen, Tierschützer verurteilen allgemein das Töten von Tieren und von so intelligenten wie Walen im besonderen und stellen Tier- mit Menschenrechten gleich.

Auf beiden Seiten ist da schwer zu vermitteln, vor allem, wenn man aus einem Land kommt, das schon lange keinen Walfang mehr betreibt. Für mich persönlich gibt es ein einziges objektives Argument, das gegen den Walfang spricht: Walfleisch ist schlicht kein gesundes Lebensmittel. Unsere Meere sind mit allerlei Giften und Schwermetallen belastet, und diese reichern sich vor allem in Fettschichten ab. Fettschichten von Walen und Robben beispielsweise. Untersuchungen von Walfleisch in Japan und Grönland haben immense Quecksilber-Belastungen ergeben. Dieser Fakt sollte eigentlich Walfänger wie Walschützer gleichermaßen hinter sich bringen, dieses „Lebensmittel“ künftig schlicht weiter im Meer schwimmen zu lassen.

Weil das aber nicht so ist, jagen Japan, Norwegen, Island und die Faröer weiter Wale, auch die Großwalarten, von denen sich die Weltgemeinschaft eigentlich geeinigt hat, sie wegen der Dezimierung ihrer Bestände künftig in Ruhe zu lassen. In Island allerdings besteht seit einiger Zeit politisch Uneinigkeit, wie mit dem Walfang weiter zu verfahren ist.

Es gibt dort überhaupt nur noch einen, den letzten verbliebenen Walfänger: Kristjan Loftsson heißt der Mann, der immer noch Jahr um Jahr sein Walfangschiff aussendet. 25 Finnwale – die zweitgrößte Walart der Welt – hat er 2023 erlegt, ein Finnwal ging dabei nach dem Harpunieren verloren, mindestens zwei weitere mussten mehrmals harpuniert werden, und ein Weibchen war trächtig. Genau diese Quälereien sind der Grund, warum die Saison 2023 schon kürzer war als sonst, denn Islands Ministerin für Fischerei und Landwirtschaft (!), Svandis Svavarsdottir, hatte die Finnwaljagd aus Tierschutzgründen bis zum 31. August aussetzen lassen. Die Tötung der großen Bartenwale verstoße gegen das isländische Tierschutzgesetz, begründete sie die Entscheidung.

Bis Ende September 2023 wurde er dann mit Auflagen doch wieder erlaubt, jedoch viele Beobachter mitgesendet. Diese beobachteten prompt, dass das Sterben der Wale nicht so ohne Leiden vonstatten gehe, wie das die Jäger gern behaupteten.

Bis Ende 2023 sollte entschieden werden, ob für 2024 eine neue Fangquote erteilt wird. Im Januar stellte Loftsson einen neuen Antrag, Wale jagen zu dürfen. Antwort aber hat er bis heute nicht. Seit der isländischen Regierungsumbildung gibt es eine neue Ministerin für Fischerei und Landwirtschaft, Bjarkey Olsen Gunnarsdottir, wie Svavarsdottir von den Linksgrünen. Wie sie mit der Waljagd verfahren wird, hat sie noch nicht bekannt gegeben.

Loftsson beklagt derweil, dass er so nicht weiterarbeiten könne: Erst beinahe zwei Monate nach dem Einreichen seines Antrags habe er eine Reihe von Rückfragen zum Tierschutz bekommen. Er könne so nicht planen. Dass sein lautes Klagen, so nicht arbeiten zu können, ein Grund ist, ihm seine Arbeit künftig zu erleichtern, kann hoffnungsvoll bezweifelt werden. Vielmehr sieht es derzeit so aus, als käme der letzte Walfänger Islands demnächst selbst zu dem Schluss, die Harpune an den Nagel zu hängen.

Mehr Geld als mit dem Walfang kann man ohnehin schon lange mit Walbeobachtungen verdienen. Ein Schiff hätte Loftsson ja, Walen könnte er dann immer noch hinterher jagen – wer, wenn nicht er, weiß, wo man sie findet? – und mit Geschichten von früher könnte er seine Gäste auch beeindrucken. Von früher, als man Wale noch jagte.

Wäre das nicht toll?
Wer sagt es ihm?

Bis in zwei Wochen!

Eure
Birgit Lutz

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Auf beiden Seiten ist da schwer zu vermitteln, vor allem, wenn man aus einem Land kommt, das schon lange keinen Walfang mehr betreibt. Für mich persönlich gibt es ein einziges objektives Argument, das gegen den Walfang spricht: Walfleisch ist schlicht kein gesundes Lebensmittel. Unsere Meere sind mit allerlei Giften und Schwermetallen belastet, und diese reichern sich vor allem in Fettschichten ab. Fettschichten von Walen und Robben beispielsweise. Untersuchungen von Walfleisch in Japan und Grönland haben immense Quecksilber-Belastungen ergeben. Dieser Fakt sollte eigentlich Walfänger wie Walschützer gleichermaßen hinter sich bringen, dieses „Lebensmittel“ künftig schlicht weiter im Meer schwimmen zu lassen.

Weil das aber nicht so ist, jagen Japan, Norwegen, Island und die Faröer weiter Wale, auch die Großwalarten, von denen sich die Weltgemeinschaft eigentlich geeinigt hat, sie wegen der Dezimierung ihrer Bestände künftig in Ruhe zu lassen. In Island allerdings besteht seit einiger Zeit politisch Uneinigkeit, wie mit dem Walfang weiter zu verfahren ist.

Es gibt dort überhaupt nur noch einen, den letzten verbliebenen Walfänger: Kristjan Loftsson heißt der Mann, der immer noch Jahr um Jahr sein Walfangschiff aussendet. 25 Finnwale – die zweitgrößte Walart der Welt – hat er 2023 erlegt, ein Finnwal ging dabei nach dem Harpunieren verloren, mindestens zwei weitere mussten mehrmals harpuniert werden, und ein Weibchen war trächtig. Genau diese Quälereien sind der Grund, warum die Saison 2023 schon kürzer war als sonst, denn Islands Ministerin für Fischerei und Landwirtschaft (!), Svandis Svavarsdottir, hatte die Finnwaljagd aus Tierschutzgründen bis zum 31. August aussetzen lassen. Die Tötung der großen Bartenwale verstoße gegen das isländische Tierschutzgesetz, begründete sie die Entscheidung.

Bis Ende September 2023 wurde er dann mit Auflagen doch wieder erlaubt, jedoch viele Beobachter mitgesendet. Diese beobachteten prompt, dass das Sterben der Wale nicht so ohne Leiden vonstatten gehe, wie das die Jäger gern behaupteten.

Bis Ende 2023 sollte entschieden werden, ob für 2024 eine neue Fangquote erteilt wird. Im Januar stellte Loftsson einen neuen Antrag, Wale jagen zu dürfen. Antwort aber hat er bis heute nicht. Seit der isländischen Regierungsumbildung gibt es eine neue Ministerin für Fischerei und Landwirtschaft, Bjarkey Olsen Gunnarsdottir, wie Svavarsdottir von den Linksgrünen. Wie sie mit der Waljagd verfahren wird, hat sie noch nicht bekannt gegeben.

Loftsson beklagt derweil, dass er so nicht weiterarbeiten könne: Erst beinahe zwei Monate nach dem Einreichen seines Antrags habe er eine Reihe von Rückfragen zum Tierschutz bekommen. Er könne so nicht planen. Dass sein lautes Klagen, so nicht arbeiten zu können, ein Grund ist, ihm seine Arbeit künftig zu erleichtern, kann hoffnungsvoll bezweifelt werden. Vielmehr sieht es derzeit so aus, als käme der letzte Walfänger Islands demnächst selbst zu dem Schluss, die Harpune an den Nagel zu hängen.

Mehr Geld als mit dem Walfang kann man ohnehin schon lange mit Walbeobachtungen verdienen. Ein Schiff hätte Loftsson ja, Walen könnte er dann immer noch hinterher jagen – wer, wenn nicht er, weiß, wo man sie findet? – und mit Geschichten von früher könnte er seine Gäste auch beeindrucken. Von früher, als man Wale noch jagte.

Wäre das nicht toll?
Wer sagt es ihm?

Bis in zwei Wochen!

Eure
Birgit Lutz