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Birgit Lutz

In ihrer Polarkolumne, die ab 2021 immer freitags auf unserer Homepage neu erscheint, schreibt die Expeditionsleiterin und Autorin Birgit Lutz über alle Themenfelder der Polarregionen - von großen Erlebnissen und kleinen Momenten auf eigenen Reisen über aktuelle Entwicklungen in Arktis und Antarktis bis hin zu praktischen Informationen für Ihre Reisevorbereitung oder Empfehlungen zur Polarliteratur.

Notizen aus dem Eis 114 | Hvaldimir darf nicht umziehen

Der kleine Hvaldimir ist wohl der berühmteste Beluga-Wal der Welt. Schon zweimal habe ich hier über ihn berichtet, und nun gibt es wieder Neues aus Norwegen.

Woher Hvaldimir genau gekommen war, das wird man wohl nie wissen. Fest steht, er tauchte vor fünf Jahren in der Nähe von Hammerfest auf, einer Gegend, die nicht berühmt ist für Beluga-Populationen, sagen wir mal so. Sein Auftauchen wurde noch seltsamer, weil Hvaldimir ganz alleine war, was vollkommen Beluga-untypisch ist. Und am seltsamsten war, dass er einen Gürtel trug, an dem einst etwas an ihm festgeschnallt war. Schnell war auch erkennbar, dass Hvaldimir an Menschen sehr gewöhnt war, er erreichte Instagram-Kult-Status mit Videos, in denen zu sehen ist, wie er einem Mädchen das verloren gegangene Handy wieder nach oben taucht. Auch Ballspiele machte er gerne mit.

Hvaldimir wurde also berühmt und bekam schnell diesen Namen, eine Mischung aus dem norwegischen hval und dem russischen Vladimir – denn man vermutete doch eine russische Herkunft des Weißwals, die eventuell auch mit Spionage zu tun hatte. Hvaldimir war irgendwo ausgebüxt, das stand fest.

Hvaldimir blieb eine Weile in Hammerfest, wo gleich Infotafeln aufgestellt wurden und Leute extra anreisten, um den Wal zu sehen. Dann überlegte er es sich aber anders und schwamm weiter nach Süden. Diese Richtung hat er im Großen und Ganzen beibehalten: Langsam, aber sicher bewegte er sich nach Süden, blieb manchmal lange in einem Fjord, um dann aber doch wieder weiterzuziehen.

Mit dem Weg nach Süden begab sich der Beluga aber nun in immer belebtere Gewässer, und so sehr er an Menschen gewöhnt war, so wenig war er diesen ganzen Betrieb gewöhnt. Es gibt mittlerweile auch eine ganze Reihe engagierter Menschen, die ihn immer wieder beobachten und über seinen Zustand berichten. Der ist weiterhin gut, Hvaldimir hat gelernt, selbst zu jagen und macht meistens einen guten Eindruck.

Wie das aber bei Menschen ist, die Tiere lieben, gab es schnell ganz unterschiedliche Meinungen. Hvaldimir solle eingefangen und in ein Reservat bei Hammerfest gebracht werden, wollten die einen, Hvaldimir solle in ein Delfinarium gebracht werden, die anderen, viele wollten, dass der Wal einfach in Ruhe gelassen würde und einige nun, die flugs gegründete Organisation One Whale beispielsweise, wollte ihn zuletzt nach Spitzbergen umziehen lassen, wo es viele Beluga-Schulen gibt. Der einsame Wal sollte wieder eine Familie bekommen.

Ob das aber so einfach war, einen russischen zu internationalen Walen verfrachten? Würden die Spitzbergen-Belugas Hvaldimir freundlich aufnehmen, ablehnen oder gar bekämpfen? Einen solchen Fall gab es ja noch nie.

Kurz: Wir werden es nie wissen. Denn natürlich kann man einen stattlichen Beluga nicht eben mal wie einen Goldfisch in die Tüte packen und im Isfjord ins Wasser flutschen lassen. Da reden dann doch ein paar Leute mit, die sich unter Umständen auch auskennen. Die sich vielleicht auch nicht von dem vermenschlichenden Gedanken leiten lassen, der arme Hvaldimir müsse doch einsam sein und verdiene es, weiter in Gesellschaft zu leben.

Das norwegische Miljødirektoratet, die Umweltbehörde also, sprach im Wal-Streit jetzt ein erstes Machtwort und verbot, dass Hvadlimir nach Spitzbergen gebracht wird. Man wisse nicht, wo er gelebt hatte, was er für Viren, Bakterien, Tierchen und Krankheiten in sich trage, so die Begründung, und man wisse nicht, was diese eventuell in der doch recht abseits und geschützt lebenden Population der Belugas in Spitzbergen anrichten könnten. Am Ende brächte Hvaldimir etwas mit auf die Inseln, was allen anderen den Garaus machen würde. Abgesehen davon, dass das eine unvorstellbare Tragödie wäre, wäre Hvaldimir dann ja auch wieder allein.

Die Umweltbehörde entschied hier also so, wie Biologen wohl entscheiden müssen: Man verpflanzt kein fremdes Tier um tausende Kilometer in eine fremde Population. Vielmehr sollte man wohl auch hier der Natur ihren Lauf lassen.

Hvaldimir scheint sich um all diese Sorgen um ihn nicht zu scheren, es scheint ihm prima zu gehen, er ist unterdessen bis nach Schweden geschwommen, wo er sich kurz in Leinen verhedderte, aber wieder befreit werden konnte. Den Rückweg dorthin, wo er herkam, und wo es vielleicht auch Artgenossen gab, wollte er jedenfalls noch nie antreten.

Da es ihn gar so nach Süden zieht, wäre es ihm in Spitzbergen vielleicht sowieso viel zu kalt. Vielleicht wird Hvaldimir irgendwann der erste Beluga der Adria, wer weiß?

Bis in zwei Wochen!

Eure
Birgit Lutz

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Hvaldimir wurde also berühmt und bekam schnell diesen Namen, eine Mischung aus dem norwegischen hval und dem russischen Vladimir – denn man vermutete doch eine russische Herkunft des Weißwals, die eventuell auch mit Spionage zu tun hatte. Hvaldimir war irgendwo ausgebüxt, das stand fest.

Hvaldimir blieb eine Weile in Hammerfest, wo gleich Infotafeln aufgestellt wurden und Leute extra anreisten, um den Wal zu sehen. Dann überlegte er es sich aber anders und schwamm weiter nach Süden. Diese Richtung hat er im Großen und Ganzen beibehalten: Langsam, aber sicher bewegte er sich nach Süden, blieb manchmal lange in einem Fjord, um dann aber doch wieder weiterzuziehen.

Mit dem Weg nach Süden begab sich der Beluga aber nun in immer belebtere Gewässer, und so sehr er an Menschen gewöhnt war, so wenig war er diesen ganzen Betrieb gewöhnt. Es gibt mittlerweile auch eine ganze Reihe engagierter Menschen, die ihn immer wieder beobachten und über seinen Zustand berichten. Der ist weiterhin gut, Hvaldimir hat gelernt, selbst zu jagen und macht meistens einen guten Eindruck.

Wie das aber bei Menschen ist, die Tiere lieben, gab es schnell ganz unterschiedliche Meinungen. Hvaldimir solle eingefangen und in ein Reservat bei Hammerfest gebracht werden, wollten die einen, Hvaldimir solle in ein Delfinarium gebracht werden, die anderen, viele wollten, dass der Wal einfach in Ruhe gelassen würde und einige nun, die flugs gegründete Organisation One Whale beispielsweise, wollte ihn zuletzt nach Spitzbergen umziehen lassen, wo es viele Beluga-Schulen gibt. Der einsame Wal sollte wieder eine Familie bekommen.

Ob das aber so einfach war, einen russischen zu internationalen Walen verfrachten? Würden die Spitzbergen-Belugas Hvaldimir freundlich aufnehmen, ablehnen oder gar bekämpfen? Einen solchen Fall gab es ja noch nie.

Kurz: Wir werden es nie wissen. Denn natürlich kann man einen stattlichen Beluga nicht eben mal wie einen Goldfisch in die Tüte packen und im Isfjord ins Wasser flutschen lassen. Da reden dann doch ein paar Leute mit, die sich unter Umständen auch auskennen. Die sich vielleicht auch nicht von dem vermenschlichenden Gedanken leiten lassen, der arme Hvaldimir müsse doch einsam sein und verdiene es, weiter in Gesellschaft zu leben.

Das norwegische Miljødirektoratet, die Umweltbehörde also, sprach im Wal-Streit jetzt ein erstes Machtwort und verbot, dass Hvadlimir nach Spitzbergen gebracht wird. Man wisse nicht, wo er gelebt hatte, was er für Viren, Bakterien, Tierchen und Krankheiten in sich trage, so die Begründung, und man wisse nicht, was diese eventuell in der doch recht abseits und geschützt lebenden Population der Belugas in Spitzbergen anrichten könnten. Am Ende brächte Hvaldimir etwas mit auf die Inseln, was allen anderen den Garaus machen würde. Abgesehen davon, dass das eine unvorstellbare Tragödie wäre, wäre Hvaldimir dann ja auch wieder allein.

Die Umweltbehörde entschied hier also so, wie Biologen wohl entscheiden müssen: Man verpflanzt kein fremdes Tier um tausende Kilometer in eine fremde Population. Vielmehr sollte man wohl auch hier der Natur ihren Lauf lassen.

Hvaldimir scheint sich um all diese Sorgen um ihn nicht zu scheren, es scheint ihm prima zu gehen, er ist unterdessen bis nach Schweden geschwommen, wo er sich kurz in Leinen verhedderte, aber wieder befreit werden konnte. Den Rückweg dorthin, wo er herkam, und wo es vielleicht auch Artgenossen gab, wollte er jedenfalls noch nie antreten.

Da es ihn gar so nach Süden zieht, wäre es ihm in Spitzbergen vielleicht sowieso viel zu kalt. Vielleicht wird Hvaldimir irgendwann der erste Beluga der Adria, wer weiß?

Bis in zwei Wochen!

Eure
Birgit Lutz