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Birgit Lutz

Birgit Lutz

In ihrer Polarkolumne, die ab 2021 immer freitags auf unserer Homepage neu erscheint, schreibt die Expeditionsleiterin und Autorin Birgit Lutz über alle Themenfelder der Polarregionen - von großen Erlebnissen und kleinen Momenten auf eigenen Reisen über aktuelle Entwicklungen in Arktis und Antarktis bis hin zu praktischen Informationen für Ihre Reisevorbereitung oder Empfehlungen zur Polarliteratur.

Notizen aus dem Eis 33 – Wanny Woldstad – Die kleine große Trapperin

Als ich mein erstes Buch über den Nordpol geschrieben habe, wurde ich oft gefragt, ob ich die einzige Frau war, die dort im Norden unterwegs ist. Eigentlich wurde dann erwartet, dass ich immer ja sage, denn das sollte so ein bisschen die Geschichte, die Vermarktung sein.

Tatsächlich aber gibt es jede Menge Frauen, die sich schon lange auch nach Norden aufmachen. Ich glaube zum Beispiel, dass ich keinen einzigen männlichen Meeresbiologen kenne, unter meinen Kollegen. Das sind alles Frauen. Wie in der Polarforschung generell der Frauenanteil sehr hoch ist.

Und es gab auch schon früher Frauen, die sich weit nach Norden gewagt haben. Nur wurde von denen lange nicht berichtet, weil man über Frauen, naja, generell halt einfach nicht berichtet hat, waren ja nur Frauen.

Eine davon ist die Norwegerin Wanny Woldstad. Diese, nur 1,57 Meter große Frau hatte einen sehr interessanten Lebenslauf. Geboren 1895, arbeitete sie erst als Kindermädchen in Tromsø in Nordnorwegen. Ihr Mann starb schon 1918 – an der Spanischen Grippe übrigens – und sie musste sich allein um ihre beiden Söhne kümmern.

Mit viel Fleiß und Sparsamkeit kaufte sie sich ein Taxi und wurde Norwegens erste Taxifahrerin. Und so fuhr sie also Taxi durch Tromsø, die kleine Stadt auf einer kleinen Insel, auch Paris des Nordens genannt. Ihre Fahrgäste waren häufig Trapper aus Spitzbergen, die ihr, durch den Ort schaukeln, aufregende Geschichten aus dem Eis erzählten. Vom Fallenstellen, den Füchsen, den Eisbären, über die Polarnacht und das Leben in der Arktis. Und weil diese Fahrgäste manchmal sehr großzügig waren und damit prahlten, wie viel ihnen der Verkauf ihrer Eisbärfelle nun wieder eingebracht hatte, beschloss Wanny also irgendwann – das klingt interessant, das probiere ich auch.

1932 ging sie als gleichwertiger Jagdpartner mit einem Jäger nach Spitzbergen. Die Jäger waren aus Sicherheitsgründen, und weil es schlicht auch praktischer ist, oft zu zweit unterwegs. Fünf aufeinander folgende Winter brachte Wanny dann in der Polarnacht in Spitzbergen zu, und wurde tatsächlich zu einer sehr erfolgreichen Jägerin. Auch ihre Söhne waren dann teilweise mit dabei, bei ihren Jagdaufenthalten.

Als sie wieder in Tromsø war, schrieb sie ein Buch über ihre Erlebnisse und hielt viele Vorträge – so, wie das Abenteurer schon immer gemacht haben und auch heute noch praktizieren. Wanny wurde eine kleine Berühmtheit.

Doch wie so manchmal, nahm auch hier das Schicksal eine ebenso ironische wie böse Wendung: Wanny hatte die Polarnächte der Arktis überlebt, Eisbären erlegt und gar manch gefährliche Situation überstanden. Aber gerade, als sie ein zweites Buch herausgeben wollte wurde sie 1959 in Sørkjosen von einem Lastwagen überfahren und starb.

In ihrem ersten Buch aber hat sie sehr schön beschrieben, warum sie immer wieder in den Norden ging:
„Wer hier oben gelebt hat und das Land versteht, fühlt eine unerklärliche Sehnsucht im Herzen, die ihn immer zurück in den Norden zieht. Sie haben nicht nur das Unwetter gesehen, wenn das Meer mit unbändiger Kraft gegen das Ufer stürmt und alles begraben will, was sich ihm in den Weg stellt. Nein, sie haben auch die stillen Abende gesehen und erlebt, wenn Land und Meer unter der Sonne brennen, wenn Vogelgezwitscher von allen Hängen tönt, und winzigkleine rote und weiße Blüten hervorkommen und die nackten Felsen bedecken wollen.“

Was soll man sagen – die kleine große Wanny hat recht!

Bis nächste Woche!

Ihre
Birgit Lutz

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Tatsächlich aber gibt es jede Menge Frauen, die sich schon lange auch nach Norden aufmachen. Ich glaube zum Beispiel, dass ich keinen einzigen männlichen Meeresbiologen kenne, unter meinen Kollegen. Das sind alles Frauen. Wie in der Polarforschung generell der Frauenanteil sehr hoch ist.

Und es gab auch schon früher Frauen, die sich weit nach Norden gewagt haben. Nur wurde von denen lange nicht berichtet, weil man über Frauen, naja, generell halt einfach nicht berichtet hat, waren ja nur Frauen.

Eine davon ist die Norwegerin Wanny Woldstad. Diese, nur 1,57 Meter große Frau hatte einen sehr interessanten Lebenslauf. Geboren 1895, arbeitete sie erst als Kindermädchen in Tromsø in Nordnorwegen. Ihr Mann starb schon 1918 – an der Spanischen Grippe übrigens – und sie musste sich allein um ihre beiden Söhne kümmern.

Mit viel Fleiß und Sparsamkeit kaufte sie sich ein Taxi und wurde Norwegens erste Taxifahrerin. Und so fuhr sie also Taxi durch Tromsø, die kleine Stadt auf einer kleinen Insel, auch Paris des Nordens genannt. Ihre Fahrgäste waren häufig Trapper aus Spitzbergen, die ihr, durch den Ort schaukeln, aufregende Geschichten aus dem Eis erzählten. Vom Fallenstellen, den Füchsen, den Eisbären, über die Polarnacht und das Leben in der Arktis. Und weil diese Fahrgäste manchmal sehr großzügig waren und damit prahlten, wie viel ihnen der Verkauf ihrer Eisbärfelle nun wieder eingebracht hatte, beschloss Wanny also irgendwann – das klingt interessant, das probiere ich auch.

1932 ging sie als gleichwertiger Jagdpartner mit einem Jäger nach Spitzbergen. Die Jäger waren aus Sicherheitsgründen, und weil es schlicht auch praktischer ist, oft zu zweit unterwegs. Fünf aufeinander folgende Winter brachte Wanny dann in der Polarnacht in Spitzbergen zu, und wurde tatsächlich zu einer sehr erfolgreichen Jägerin. Auch ihre Söhne waren dann teilweise mit dabei, bei ihren Jagdaufenthalten.

Als sie wieder in Tromsø war, schrieb sie ein Buch über ihre Erlebnisse und hielt viele Vorträge – so, wie das Abenteurer schon immer gemacht haben und auch heute noch praktizieren. Wanny wurde eine kleine Berühmtheit.

Doch wie so manchmal, nahm auch hier das Schicksal eine ebenso ironische wie böse Wendung: Wanny hatte die Polarnächte der Arktis überlebt, Eisbären erlegt und gar manch gefährliche Situation überstanden. Aber gerade, als sie ein zweites Buch herausgeben wollte wurde sie 1959 in Sørkjosen von einem Lastwagen überfahren und starb.

In ihrem ersten Buch aber hat sie sehr schön beschrieben, warum sie immer wieder in den Norden ging:
„Wer hier oben gelebt hat und das Land versteht, fühlt eine unerklärliche Sehnsucht im Herzen, die ihn immer zurück in den Norden zieht. Sie haben nicht nur das Unwetter gesehen, wenn das Meer mit unbändiger Kraft gegen das Ufer stürmt und alles begraben will, was sich ihm in den Weg stellt. Nein, sie haben auch die stillen Abende gesehen und erlebt, wenn Land und Meer unter der Sonne brennen, wenn Vogelgezwitscher von allen Hängen tönt, und winzigkleine rote und weiße Blüten hervorkommen und die nackten Felsen bedecken wollen.“

Was soll man sagen – die kleine große Wanny hat recht!

Bis nächste Woche!

Ihre
Birgit Lutz