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Foto von Maarten van der Duijn Schouten
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Birgit Lutz

Birgit Lutz

In ihrer Polarkolumne, die ab 2021 immer freitags auf unserer Homepage neu erscheint, schreibt die Expeditionsleiterin und Autorin Birgit Lutz über alle Themenfelder der Polarregionen - von großen Erlebnissen und kleinen Momenten auf eigenen Reisen über aktuelle Entwicklungen in Arktis und Antarktis bis hin zu praktischen Informationen für Ihre Reisevorbereitung oder Empfehlungen zur Polarliteratur.

Notizen aus dem Eis 44 – Die Albatrosse von West Point

Über mir saust es, ich drehe den Kopf nach oben und gefühlt nur eine Armlänge von mir entfernt segelt ein riesiger, wirklich riesiger Albatros hinweg, dreht sich noch einmal ein und landet dann neben seinem Weibchen, das auf einem Tussock-Grashügel sitzt. Dort schnäbelt er seine Partnerin dann kopfnickend klappernd an, bevor er seine immensen Flügel einfaltet und sich neben seiner wachsenden Familie niederlässt. Und dann kann ich auch wieder atmen. So sind Besuche auf West Point Island, einer kleinen, zu den Falklandinseln gehörenden Insel, und das ist nur ein kleiner Teil dessen, was man dort erleben kann.

West Point Island ist ein hervorragender Nistplatz für Albatrosse, die sich hier zuhauf niederlassen, weil die Steilklippen der Insel bis zu 300 Meter tief zum Meer abfallen. Die Vögel mit einer Spannweite von 2,45 Metern können hier den Aufwind beim Start gut nutzen, denn um diese riesigen Tiere in Flugmodus zu bekommen, braucht es schon etwas Unterstützung. So meisterhaft sie in der Luft aussehen, so, nun ja, etwas ungelenk sehen nämlich manche Startversuche aus – kann sich noch jemand an den Albatros Orville in dem Disney-Klassiker Bernhard und Bianca erinnern? Genau. Und so gibt es hier an diesem startfreundlich aufwindigen Platz eine Kolonie dieser Tiere, die man nach einer kleinen Wanderung gut erreichen kann.

Schon lange, bevor man sie sieht, trägt der Wind hier ein schon von Weitem zu hörendes Geschnatter und Gezeter an einen heran, das sehr neugierig macht, auf das, was man sehen wird. Im hohen Tussock Gras kann man sich den Tieren relativ gut annähern, ohne sie zu stören – dabei muss man allerdings aufpassen, nicht auf einen unter den Büscheln brütenden Felsenpinguin zu treten, die hier auch in großer Zahl vorkommen und nicht unwesentlich zu dem Gezeter beitragen.

Der Ort der Kolonie und all diese Tiere sind ein fantastisches Spektakel. Das satte Grün des Tussock-Grases, der weiße Sand dazwischen, schwarz-weiße Pinguine mit ihren gelben, lustigen Schöpfen auf dem Kopf und dann auch noch die wunderschönen Schwarzbrauenalbatrosse – man kann sich kaum sattsehen, allein an diesen Farben.

Am besten setzt man sich dann irgendwo ins Gras und betrachtet die Tiere ausgiebig. Die Schwarzbrauenalbatrosse sehen aus, als habe ihnen eine Maskenbildnerin einen wunderschönen Lidstrich gezaubert. Sie heißen zwar Schwarzbrauenalbatrosse, aber eigentlich ist das falsch, denn die schwarze Zeichnung auf dem ansonsten hellweißen Kopf verläuft nicht über den Augen der Vögel, sondern ganz zauberhaft um die Augen herum, und lässt sie noch eleganter aussehen, als sie ohnehin schon sind. Sie sollten also eigentlich Lidstrichalbatrosse heißen, aber die Tierbenenner waren einst sicher männlich, was wussten die schon.

Und so schön wie er ist, so faszinierend ist er auch. Dass man ihn hier so entspannt herumbrüten sieht, ist ein Glück, denn die meiste Zeit seines Lebens verbringt der Albatros in der Luft – über dem Südpolarmeer. Dazu verhelfen ihm seine Flügel, die sehr lang und schmal sind und mit Sicherheit schon den Neid vieler Flugzeugbauer hervorgerufen haben. Sie sind so effektiv, dass der Albatros damit stundenlang segeln kann, auch sehr dicht über den Wellen, ohne ein einziges Mal mit den Flügeln schlagen zu müssen. Das sehen wir auch an der Kolonie: Draußen über dem Meer segeln die Vögel, und immer denkt man, aber jetzt muss er doch mal… aber er tut es nicht, sie segeln und segeln und segeln. Es sind wahre Flugkünstler!

Zum Brüten lässt sich der Schwarzbrauenalbatros dann auf den Inseln rund um die Antarktis nieder, und die Falklandinseln sind dabei ihr wichtigstes Brutgebiet, mit etwa 75 Prozent des Weltbestandes. Dabei treffen sich immer die gleichen Paare wieder, die sich sehr treu sind. Hach! Und dann brüten sie gemeinsam ein Ei aus und wechseln sich auch bei der Brutpflege ab. Vier Monate lang bleibt immer ein Elternteil beim Jungen, während das andere übers Meer segelt und Nahrung sucht (Tintenfische, Krebse und Krill) und nach Hause bringt.

Und dann macht dieses Jungtier etwas wirklich Spektakuläres: Es fliegt weg und bleibt über dem Meer, bis es geschlechtsreif ist. Vier ganze Jahre lang! So sieht das ganz normale Leben dieser Tiere aus.

Doch auch so wunderbare Tiere wie dieser Albatros können sich nicht wehren gegen den Menschen – obwohl sie sogar mit einem eigenen Abwehrsystem ausgestattet wären: Wenn sie angegriffen werden, prusten sie ein übelriechendes Öl aus ihrem Magen durch ihre Nasenlöcher auf den Angreifer. Das hilft gegen viele Aggressoren, leider aber nicht gegen Langleinen, die zum Teil mehr als 100 Kilometer lang hinter Fischerei-Schiffen hergezogen werden, mit tausenden Haken besetzt. An ihnen verfangen sich leider auch diese majestätischen Tiere, verletzen sich entweder schwer oder ertrinken gleich. Nicht zuletzt deshalb stehen die Schwarzbrauenalbatrosse, wie die meisten Albatros-Arten, mittlerweile auf der Roten Liste der gefährdeten Arten.

Umso wertvoller sind Beobachtungen wie die am wunderbaren West Point auf den vom Wind verwehten Falklandinseln!

Bis nächste Woche!

Ihre
Birgit Lutz

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West Point Island ist ein hervorragender Nistplatz für Albatrosse, die sich hier zuhauf niederlassen, weil die Steilklippen der Insel bis zu 300 Meter tief zum Meer abfallen. Die Vögel mit einer Spannweite von 2,45 Metern können hier den Aufwind beim Start gut nutzen, denn um diese riesigen Tiere in Flugmodus zu bekommen, braucht es schon etwas Unterstützung. So meisterhaft sie in der Luft aussehen, so, nun ja, etwas ungelenk sehen nämlich manche Startversuche aus – kann sich noch jemand an den Albatros Orville in dem Disney-Klassiker Bernhard und Bianca erinnern? Genau. Und so gibt es hier an diesem startfreundlich aufwindigen Platz eine Kolonie dieser Tiere, die man nach einer kleinen Wanderung gut erreichen kann.

Schon lange, bevor man sie sieht, trägt der Wind hier ein schon von Weitem zu hörendes Geschnatter und Gezeter an einen heran, das sehr neugierig macht, auf das, was man sehen wird. Im hohen Tussock Gras kann man sich den Tieren relativ gut annähern, ohne sie zu stören – dabei muss man allerdings aufpassen, nicht auf einen unter den Büscheln brütenden Felsenpinguin zu treten, die hier auch in großer Zahl vorkommen und nicht unwesentlich zu dem Gezeter beitragen.

Der Ort der Kolonie und all diese Tiere sind ein fantastisches Spektakel. Das satte Grün des Tussock-Grases, der weiße Sand dazwischen, schwarz-weiße Pinguine mit ihren gelben, lustigen Schöpfen auf dem Kopf und dann auch noch die wunderschönen Schwarzbrauenalbatrosse – man kann sich kaum sattsehen, allein an diesen Farben.

Am besten setzt man sich dann irgendwo ins Gras und betrachtet die Tiere ausgiebig. Die Schwarzbrauenalbatrosse sehen aus, als habe ihnen eine Maskenbildnerin einen wunderschönen Lidstrich gezaubert. Sie heißen zwar Schwarzbrauenalbatrosse, aber eigentlich ist das falsch, denn die schwarze Zeichnung auf dem ansonsten hellweißen Kopf verläuft nicht über den Augen der Vögel, sondern ganz zauberhaft um die Augen herum, und lässt sie noch eleganter aussehen, als sie ohnehin schon sind. Sie sollten also eigentlich Lidstrichalbatrosse heißen, aber die Tierbenenner waren einst sicher männlich, was wussten die schon.

Und so schön wie er ist, so faszinierend ist er auch. Dass man ihn hier so entspannt herumbrüten sieht, ist ein Glück, denn die meiste Zeit seines Lebens verbringt der Albatros in der Luft – über dem Südpolarmeer. Dazu verhelfen ihm seine Flügel, die sehr lang und schmal sind und mit Sicherheit schon den Neid vieler Flugzeugbauer hervorgerufen haben. Sie sind so effektiv, dass der Albatros damit stundenlang segeln kann, auch sehr dicht über den Wellen, ohne ein einziges Mal mit den Flügeln schlagen zu müssen. Das sehen wir auch an der Kolonie: Draußen über dem Meer segeln die Vögel, und immer denkt man, aber jetzt muss er doch mal… aber er tut es nicht, sie segeln und segeln und segeln. Es sind wahre Flugkünstler!

Zum Brüten lässt sich der Schwarzbrauenalbatros dann auf den Inseln rund um die Antarktis nieder, und die Falklandinseln sind dabei ihr wichtigstes Brutgebiet, mit etwa 75 Prozent des Weltbestandes. Dabei treffen sich immer die gleichen Paare wieder, die sich sehr treu sind. Hach! Und dann brüten sie gemeinsam ein Ei aus und wechseln sich auch bei der Brutpflege ab. Vier Monate lang bleibt immer ein Elternteil beim Jungen, während das andere übers Meer segelt und Nahrung sucht (Tintenfische, Krebse und Krill) und nach Hause bringt.

Und dann macht dieses Jungtier etwas wirklich Spektakuläres: Es fliegt weg und bleibt über dem Meer, bis es geschlechtsreif ist. Vier ganze Jahre lang! So sieht das ganz normale Leben dieser Tiere aus.

Doch auch so wunderbare Tiere wie dieser Albatros können sich nicht wehren gegen den Menschen – obwohl sie sogar mit einem eigenen Abwehrsystem ausgestattet wären: Wenn sie angegriffen werden, prusten sie ein übelriechendes Öl aus ihrem Magen durch ihre Nasenlöcher auf den Angreifer. Das hilft gegen viele Aggressoren, leider aber nicht gegen Langleinen, die zum Teil mehr als 100 Kilometer lang hinter Fischerei-Schiffen hergezogen werden, mit tausenden Haken besetzt. An ihnen verfangen sich leider auch diese majestätischen Tiere, verletzen sich entweder schwer oder ertrinken gleich. Nicht zuletzt deshalb stehen die Schwarzbrauenalbatrosse, wie die meisten Albatros-Arten, mittlerweile auf der Roten Liste der gefährdeten Arten.

Umso wertvoller sind Beobachtungen wie die am wunderbaren West Point auf den vom Wind verwehten Falklandinseln!

Bis nächste Woche!

Ihre
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