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Birgit Lutz

Birgit Lutz

In ihrer Polarkolumne, die ab 2021 immer freitags auf unserer Homepage neu erscheint, schreibt die Expeditionsleiterin und Autorin Birgit Lutz über alle Themenfelder der Polarregionen - von großen Erlebnissen und kleinen Momenten auf eigenen Reisen über aktuelle Entwicklungen in Arktis und Antarktis bis hin zu praktischen Informationen für Ihre Reisevorbereitung oder Empfehlungen zur Polarliteratur.

Notizen aus dem Eis 80 – Die immer noch kurioser werdende Geschichte des kleinen Wals Hvaldimir

Heute erzähle ich euch eine Geschichte, die seit vier Jahren immer bizarrer wird, und sie begann schon ganz und gar nicht unbizarr.

Diese Geschichte mäandert immer wieder hin und her zwischen möglichem Spionagethriller, der Saga eines gefangenen Tiers, das seine Freiheit wiedererlangt hat, und dem hochdramatischen Narrativ von Tierschützern, die behaupten, eben jenes Tier am allerbesten zu verstehen.

Wir erinnern uns: Die Rede ist von Hvaldimir, einem männlichen Beluga-Wal. Dieser Bursche tauchte im April 2019 plötzlich an der nordnorwegischen Küste auf, einem ungewöhnlichen Ort für Belugas, die normalerweise weiter nördlich unterwegs sind. Dann aber kam Hvaldimir, er tauchte erstmals nahe der Insel Ingøy bei Hammerfest auf, und sein Geschirr mit der Aufschrift: „Ausrüstung Sankt Petersburg“ warf viele Fragen auf. Schnell stellte sich heraus, dass Hvaldimir menschliche Gesellschaft gewöhnt war und sich insgesamt eben nicht so verhielt, wie ein Beluga das sonst so zu tun pflegt.

Ob er nun ein russischer Spion oder schlicht aus einem Delfinarium ausgebüxt war, wird sich wohl nie klären. Der Wal bekam den Namen Hvaldimir und zog nun alleine die Küste entlang, anfangs etwas mager, nach einigen Fütterungen des Norwegian Orca Survey lernte er aber selbst wieder jagen und fressen und alles hätte gut sein können, Norwegen einen Beluga haben können, der zwar leider alleine, aber vielleicht doch froh in den Fjorden umherschwimmen hätte können.

Aber nun schlägt die Dynamik um den Wal immer höhere Wellen: Die militant besorgten Tierschützer, die die Initiative OneWhale gegründet hatten, fordern nun immer vehementer die Einrichtung eines Reservats für Hvaldimir. Einziges Ziel der Initiative ist: Diesen einen Wal zu retten, bzw. das zu tun, was OneWhale für die Rettung hält. Die Behauptung dieser Initiative ist: Hvaldimir kann nicht alleine leben – was er aber ja nun seit mindestens 2019 ganz formidabel tut. Bei Hammerfest solle er also in ein Reservat, eine Bucht gesperrt werden. Um die Behauptungen zu untermauern, werden nun immer häufiger reißerische Schlagzeilen verbreitet: „Hvaldimir schon wieder verletzt“, „Hvaldimir wird zahnlos“ und dergleichen. Prominente Fürsprecher sind mittlerweile gewonnen und Spenden gesammelt worden, „donate here!“, die ganze Klaviatur des professionellen, auf possierliche Tiere mit Kulleraugen ausgerichteten Tierschutzes wird hier gespielt.

Was sich in den letzten Monaten hier sehr gut beobachten lässt: Mit dieser Art von Tierschutz geht ein nicht zu unterschätzender Extremismus einher, und so werden sich nun jüngst mediale Schlachten um den Wal geliefert, die den einstigen Schlachten um Waljagd-Gründe beinahe nicht nachstehen. Kommentare, die sich gegen ein Reservat aussprechen, werden gelöscht. Fernsehauftritte organisiert, ein beinah perfekt scheinendes Image einer Rettungsaktion in „FreeWilly“ Manier aufgebaut, nur, dass es hier halt andersrum gehen soll, ein freies Tier soll eingesperrt werden. Das gerät in dem Narrativ „Hvaldimir braucht uns“, „wir schulden es diesem Tier“ aber bizarrerweise in Vergessenheit, jetzt ist Einsperren auf einmal die Rettung.

Man könnte mittlerweile einen prima Film über diesen Fall drehen, schön überzeichnet, die Naturschützer, die schon einen Freizeitpark rund um den Wal planen, mit Einnahmen in Zilliardenhöhe, Hotels und Parkplätzen und Themen-Restaurants mit Walfleisch, schrill argumentierende immer wieder einfliegende Walschützer und eingeblendete Grußbotschaften von Jane Goodall, oder so, wer sich eben vor welchen Karren spannen lässt, und daneben einige echte Walforscher in Wollpullovern, die aber mangels Ü-Wagen nicht gehört werden.

Vielleicht kommt so ein Film mal. Überzeichnet wäre das dabei gar nicht.
Und Hvaldimir? Es ist zu hoffen, dass er höchstselbst für die ihn beste Lösung sorgt, und einfach wieder verschwindet, am besten wieder nach Russland, dort hätte er weiter im Osten die besten Chancen, auf seine Artgenossen zu treffen. Seine Ruhe hätte er auf jeden Fall, denn die Russen, die haben ganz andere Sorgen.

Ich bleib für euch dran!
Bis in zwei Wochen!

Eure
Birgit Lutz

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Wir erinnern uns: Die Rede ist von Hvaldimir, einem männlichen Beluga-Wal. Dieser Bursche tauchte im April 2019 plötzlich an der nordnorwegischen Küste auf, einem ungewöhnlichen Ort für Belugas, die normalerweise weiter nördlich unterwegs sind. Dann aber kam Hvaldimir, er tauchte erstmals nahe der Insel Ingøy bei Hammerfest auf, und sein Geschirr mit der Aufschrift: „Ausrüstung Sankt Petersburg“ warf viele Fragen auf. Schnell stellte sich heraus, dass Hvaldimir menschliche Gesellschaft gewöhnt war und sich insgesamt eben nicht so verhielt, wie ein Beluga das sonst so zu tun pflegt.

Ob er nun ein russischer Spion oder schlicht aus einem Delfinarium ausgebüxt war, wird sich wohl nie klären. Der Wal bekam den Namen Hvaldimir und zog nun alleine die Küste entlang, anfangs etwas mager, nach einigen Fütterungen des Norwegian Orca Survey lernte er aber selbst wieder jagen und fressen und alles hätte gut sein können, Norwegen einen Beluga haben können, der zwar leider alleine, aber vielleicht doch froh in den Fjorden umherschwimmen hätte können.

Aber nun schlägt die Dynamik um den Wal immer höhere Wellen: Die militant besorgten Tierschützer, die die Initiative OneWhale gegründet hatten, fordern nun immer vehementer die Einrichtung eines Reservats für Hvaldimir. Einziges Ziel der Initiative ist: Diesen einen Wal zu retten, bzw. das zu tun, was OneWhale für die Rettung hält. Die Behauptung dieser Initiative ist: Hvaldimir kann nicht alleine leben – was er aber ja nun seit mindestens 2019 ganz formidabel tut. Bei Hammerfest solle er also in ein Reservat, eine Bucht gesperrt werden. Um die Behauptungen zu untermauern, werden nun immer häufiger reißerische Schlagzeilen verbreitet: „Hvaldimir schon wieder verletzt“, „Hvaldimir wird zahnlos“ und dergleichen. Prominente Fürsprecher sind mittlerweile gewonnen und Spenden gesammelt worden, „donate here!“, die ganze Klaviatur des professionellen, auf possierliche Tiere mit Kulleraugen ausgerichteten Tierschutzes wird hier gespielt.

Was sich in den letzten Monaten hier sehr gut beobachten lässt: Mit dieser Art von Tierschutz geht ein nicht zu unterschätzender Extremismus einher, und so werden sich nun jüngst mediale Schlachten um den Wal geliefert, die den einstigen Schlachten um Waljagd-Gründe beinahe nicht nachstehen. Kommentare, die sich gegen ein Reservat aussprechen, werden gelöscht. Fernsehauftritte organisiert, ein beinah perfekt scheinendes Image einer Rettungsaktion in „FreeWilly“ Manier aufgebaut, nur, dass es hier halt andersrum gehen soll, ein freies Tier soll eingesperrt werden. Das gerät in dem Narrativ „Hvaldimir braucht uns“, „wir schulden es diesem Tier“ aber bizarrerweise in Vergessenheit, jetzt ist Einsperren auf einmal die Rettung.

Man könnte mittlerweile einen prima Film über diesen Fall drehen, schön überzeichnet, die Naturschützer, die schon einen Freizeitpark rund um den Wal planen, mit Einnahmen in Zilliardenhöhe, Hotels und Parkplätzen und Themen-Restaurants mit Walfleisch, schrill argumentierende immer wieder einfliegende Walschützer und eingeblendete Grußbotschaften von Jane Goodall, oder so, wer sich eben vor welchen Karren spannen lässt, und daneben einige echte Walforscher in Wollpullovern, die aber mangels Ü-Wagen nicht gehört werden.

Vielleicht kommt so ein Film mal. Überzeichnet wäre das dabei gar nicht.
Und Hvaldimir? Es ist zu hoffen, dass er höchstselbst für die ihn beste Lösung sorgt, und einfach wieder verschwindet, am besten wieder nach Russland, dort hätte er weiter im Osten die besten Chancen, auf seine Artgenossen zu treffen. Seine Ruhe hätte er auf jeden Fall, denn die Russen, die haben ganz andere Sorgen.

Ich bleib für euch dran!
Bis in zwei Wochen!

Eure
Birgit Lutz