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Birgit Lutz

In ihrer Polarkolumne, die ab 2021 immer freitags auf unserer Homepage neu erscheint, schreibt die Expeditionsleiterin und Autorin Birgit Lutz über alle Themenfelder der Polarregionen - von großen Erlebnissen und kleinen Momenten auf eigenen Reisen über aktuelle Entwicklungen in Arktis und Antarktis bis hin zu praktischen Informationen für Ihre Reisevorbereitung oder Empfehlungen zur Polarliteratur.

Notizen aus dem Eis 85 – Den Vögeln hinterher

Gar nicht so wenige Menschen kommen nicht wegen der Eisbären nach Spitzbergen, sondern wegen ganz anderer Tiere.

Heute betrachten wir ausnahmsweise einmal eine besondere Spezies Mensch, bevor wir uns wieder den Tieren zuwenden: Es handelt sich dabei um Vogelkundler und Vogelkundlerinnen, auch Ornithologen oder englisch: birder genannt, die auf der Suche nach ganz bestimmten Vogelarten um die ganze Welt reisen.

Bei einigen Guides sind diese Vogelfans gefürchtet: Denn manche Vogelkundler wollen tatsächlich nichts außer Vögel sehen, sie wollen nichts über Polargeschichte hören, keine Pflanzen oder Steine betrachten, keine Wanderungen unternehmen. Schon gar nicht wollen sie Walen folgen oder nach Eisbären suchen. Sie wollen Vögel sehen. Fertig.

Deswegen kommen sie mit Listen derjenigen Vogelarten an Bord, die es zu erspähen gilt, und alles dreht sich um die Häkchen hinter den Namen. Sie wissen außerdem so viel über diese Vogelarten, dass man ihnen über diesen kleinen Spitzbergen-Ausschnitt, der sie interessiert, sicher auch nichts Neues erzählen kann. Man kann die Vögel nur finden, das ist das einzige. Und das muss man auch, denn der Bordsegen kann gewaltig schief hängen, wenn am vorletzten Tag der Reise noch kein Thorshühnchen vor die Linsen geflattert ist!

Ich muss zugeben, dass ich am Anfang meiner Polarzeit mit Vögeln nicht viel anfangen konnte. Mein lieber Kollege Arjen allerdings verstand es, mein Interesse an der Vogelwelt zu wecken. Er erzählte einfach immer wieder einen interessanten Fakt von den kleinen Tieren, während er ihnen mit seinem riesigen Objektiv folgte. Und langsam begannen mich die Vögel zu interessieren. Bald konnte ich sie auseinanderhalten, und wenig später faszinierten mich so einige Leistungen dieser teilweise so winzigen Lebewesen in dieser so harschen Umwelt. Arjen war es auch, der mich überzeugte, dass komplette Vogel-Reisen eine gute Sache sind. Und er hatte recht.

Denn weil eben die Vogelkundler eine eigene Spezies sind, gibt es Reisen nur für Vogel-Interessierte. Die Vogelreisen-Anbieter, die dafür ganze Schiffe chartern, schicken glücklicherweise aber immer einen vogelkundigen Reisebegleiter mit. Bei meiner ersten Vogelreise lernte ich erst einmal, dass ich mich anders anziehen muss. Wir gingen an Land, und die Gruppe bewegte sich ungefähr fünf Meter weit, dann wurden die gewaltigen Spektive aufgestellt und gespäht.

Ich, die gewohnt war, dass man schon ein bisschen Strecke zurücklegt, versuchte nun, die Gäste zu etwas Bewegung zu motivieren. Nur unwillig schulterten sie also immer wieder ihre Stative und gingen einige Meter weiter. Ich fing an, mich selber zu stressen. Was sollte ich denn über den immer gleichen Strandabschnitt noch alles erzählen? Und merkte erst mit der Zeit: Ich sollte eigentlich gar nichts erzählen, sondern, wie man in Bayern sagt, einfach die Bappm halten.

Nach zwei Stunden des sanften Zerrens an den Leuten fragte ich den vogelkundigen Reisebegleiter: Sag mal, ist das das, was die Gäste wollen? An Land gehen und einfach stehen bleiben? Da lachte er laut auf und sagte, ja genau. Genau das ist gewollt.

Glücklicherweise aber waren in dieser, wie in all den anderen Vogel-Gruppen, die ich noch leiten sollte, eher gemäßigte Vogelkundler unterwegs, oder, anders gesagt: Sie interessierten sich durchaus auch für anderes Getier und für die Natur insgesamt. Sie interessierten sich eigentlich für alles, sogen alles auf, was ich ihnen erzählte, und vor allem: Sie sahen SO viel.

Denn unter den Vogel-Interessierten sind immer Menschen mit einem unglaublich geschulten Auge, die sich sehr viel in der Natur aufhalten. Sie sehen also nicht nur Vögel, sie finden auch Füchse und Bären, und teils lange vor mir. Kein Wunder, haben sie doch ihre gewaltigen Spektive praktisch an den Augen festgeklebt. Weil ich auch keine Scheu habe, mein mangelndes Vogelwissen zuzugeben, bringen sie mir immer wieder auch so einiges bei.

Und ich lernte etwas, was für all meine Reisen wichtig wurde, denn als erfolgreicher Expeditionsleiter vor allem auf kleinen Schiffen muss man Menschen und ihre Eigenheiten einfach mögen, sonst wird es nicht die beste aller Reisen: Ich lernte, dass es doch nichts Schöneres an Menschen gibt, als wenn sie eine wirkliche Passion haben. Egal eigentlich, was es ist.

Das können Vögel oder Briefmarken sein, das kann in Spitzbergen auch die Natur insgesamt sein, die dazu führt, dass manche Menschen einfach partout nicht hinein gehen wollen und sogar noch draußen an Deck essen, bis es ihnen die Nudeln vom Teller weht. Das kann eine strahlende. stille Freude sein an all den kleinen Dingen, oder ein lautes Jubeln über das endlich gelungene Foto eines Gletschers im Morgenlicht.

Das ist es doch, worum es im Leben geht! Für etwas brennen, echte Leidenschaft spüren, einen inneren Ruf, dem man folgen muss, Neugier, die unbedingt gestillt werden will, das Aufsaugen aller kleinen Details zu einem bestimmten Thema – und wenn man darüber ein kleines bisschen freakig wird, wunderbar! Was wär‘ das Leben doch langweilig, ohne Leidenschaft und ohne Freaks?

Und im nächsten Teil schauen wir uns dann den Vogel, den jeder birder in Spitzbergen sehen will, etwas genauer an: die wunderbare Elfenbeinmöwe.

Bis in zwei Wochen!

Eure
Birgit Lutz

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Bei einigen Guides sind diese Vogelfans gefürchtet: Denn manche Vogelkundler wollen tatsächlich nichts außer Vögel sehen, sie wollen nichts über Polargeschichte hören, keine Pflanzen oder Steine betrachten, keine Wanderungen unternehmen. Schon gar nicht wollen sie Walen folgen oder nach Eisbären suchen. Sie wollen Vögel sehen. Fertig.

Deswegen kommen sie mit Listen derjenigen Vogelarten an Bord, die es zu erspähen gilt, und alles dreht sich um die Häkchen hinter den Namen. Sie wissen außerdem so viel über diese Vogelarten, dass man ihnen über diesen kleinen Spitzbergen-Ausschnitt, der sie interessiert, sicher auch nichts Neues erzählen kann. Man kann die Vögel nur finden, das ist das einzige. Und das muss man auch, denn der Bordsegen kann gewaltig schief hängen, wenn am vorletzten Tag der Reise noch kein Thorshühnchen vor die Linsen geflattert ist!

Ich muss zugeben, dass ich am Anfang meiner Polarzeit mit Vögeln nicht viel anfangen konnte. Mein lieber Kollege Arjen allerdings verstand es, mein Interesse an der Vogelwelt zu wecken. Er erzählte einfach immer wieder einen interessanten Fakt von den kleinen Tieren, während er ihnen mit seinem riesigen Objektiv folgte. Und langsam begannen mich die Vögel zu interessieren. Bald konnte ich sie auseinanderhalten, und wenig später faszinierten mich so einige Leistungen dieser teilweise so winzigen Lebewesen in dieser so harschen Umwelt. Arjen war es auch, der mich überzeugte, dass komplette Vogel-Reisen eine gute Sache sind. Und er hatte recht.

Denn weil eben die Vogelkundler eine eigene Spezies sind, gibt es Reisen nur für Vogel-Interessierte. Die Vogelreisen-Anbieter, die dafür ganze Schiffe chartern, schicken glücklicherweise aber immer einen vogelkundigen Reisebegleiter mit. Bei meiner ersten Vogelreise lernte ich erst einmal, dass ich mich anders anziehen muss. Wir gingen an Land, und die Gruppe bewegte sich ungefähr fünf Meter weit, dann wurden die gewaltigen Spektive aufgestellt und gespäht.

Ich, die gewohnt war, dass man schon ein bisschen Strecke zurücklegt, versuchte nun, die Gäste zu etwas Bewegung zu motivieren. Nur unwillig schulterten sie also immer wieder ihre Stative und gingen einige Meter weiter. Ich fing an, mich selber zu stressen. Was sollte ich denn über den immer gleichen Strandabschnitt noch alles erzählen? Und merkte erst mit der Zeit: Ich sollte eigentlich gar nichts erzählen, sondern, wie man in Bayern sagt, einfach die Bappm halten.

Nach zwei Stunden des sanften Zerrens an den Leuten fragte ich den vogelkundigen Reisebegleiter: Sag mal, ist das das, was die Gäste wollen? An Land gehen und einfach stehen bleiben? Da lachte er laut auf und sagte, ja genau. Genau das ist gewollt.

Glücklicherweise aber waren in dieser, wie in all den anderen Vogel-Gruppen, die ich noch leiten sollte, eher gemäßigte Vogelkundler unterwegs, oder, anders gesagt: Sie interessierten sich durchaus auch für anderes Getier und für die Natur insgesamt. Sie interessierten sich eigentlich für alles, sogen alles auf, was ich ihnen erzählte, und vor allem: Sie sahen SO viel.

Denn unter den Vogel-Interessierten sind immer Menschen mit einem unglaublich geschulten Auge, die sich sehr viel in der Natur aufhalten. Sie sehen also nicht nur Vögel, sie finden auch Füchse und Bären, und teils lange vor mir. Kein Wunder, haben sie doch ihre gewaltigen Spektive praktisch an den Augen festgeklebt. Weil ich auch keine Scheu habe, mein mangelndes Vogelwissen zuzugeben, bringen sie mir immer wieder auch so einiges bei.

Und ich lernte etwas, was für all meine Reisen wichtig wurde, denn als erfolgreicher Expeditionsleiter vor allem auf kleinen Schiffen muss man Menschen und ihre Eigenheiten einfach mögen, sonst wird es nicht die beste aller Reisen: Ich lernte, dass es doch nichts Schöneres an Menschen gibt, als wenn sie eine wirkliche Passion haben. Egal eigentlich, was es ist.

Das können Vögel oder Briefmarken sein, das kann in Spitzbergen auch die Natur insgesamt sein, die dazu führt, dass manche Menschen einfach partout nicht hinein gehen wollen und sogar noch draußen an Deck essen, bis es ihnen die Nudeln vom Teller weht. Das kann eine strahlende. stille Freude sein an all den kleinen Dingen, oder ein lautes Jubeln über das endlich gelungene Foto eines Gletschers im Morgenlicht.

Das ist es doch, worum es im Leben geht! Für etwas brennen, echte Leidenschaft spüren, einen inneren Ruf, dem man folgen muss, Neugier, die unbedingt gestillt werden will, das Aufsaugen aller kleinen Details zu einem bestimmten Thema – und wenn man darüber ein kleines bisschen freakig wird, wunderbar! Was wär‘ das Leben doch langweilig, ohne Leidenschaft und ohne Freaks?

Und im nächsten Teil schauen wir uns dann den Vogel, den jeder birder in Spitzbergen sehen will, etwas genauer an: die wunderbare Elfenbeinmöwe.

Bis in zwei Wochen!

Eure
Birgit Lutz