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Foto: Dr. Olaf Denz
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Birgit Lutz

In ihrer Polarkolumne, die ab 2021 immer freitags auf unserer Homepage neu erscheint, schreibt die Expeditionsleiterin und Autorin Birgit Lutz über alle Themenfelder der Polarregionen - von großen Erlebnissen und kleinen Momenten auf eigenen Reisen über aktuelle Entwicklungen in Arktis und Antarktis bis hin zu praktischen Informationen für Ihre Reisevorbereitung oder Empfehlungen zur Polarliteratur.

Notizen aus dem Eis 95- Das Thorshühnchen – der Donnervogel

Dieser kleine Vogel ist tatsächlich für gar nicht so wenige Menschen der Grund, nach Spitzbergen zu kommen. Denn er sieht nicht nur ungewöhnlich aus, sondern macht auch ganz Vogel-unübliche Dinge!

Das Thorshühnchen ist einer der Vögel, die mein grundsätzliches Interesse an Vögeln geweckt haben. Weil ich mitbekam, dass es tatsächlich Menschen gibt, die wegen diesen Hühnchen bis nach Spitzbergen kamen. Da muss was dran sein, dachte ich mir, und hörte denen, die sich auskennen, gut zu, wenn sie von einzelnen Spezies erzählten. Und wie sollte es anders sein, es sind tatsächlich faszinierende Tiere, wie eigentlich ausnahmslos alles in der Natur für mich relativ faszinierend ist.

Aber nun zum Thorshühnchen. Das Tierchen mit dem putzigen Namen ist nicht besonders groß, rund 20 Zentimeter ungefähr und zwischen 40 und 80 Gramm schwer. Das allein lässt mich schon immer staunen: Etwas, das weniger wiegt als eine Tafel Schokolade, ist tatsächlich ein ganzes Lebewesen, und das fliegt dann auch noch von Spitzbergen nach Afrika. Genau das tun Thorshühnchen nämlich, aber der Reihe nach.

Warum kommen Vogelkundler wegen des Thorshühnchens nach Spitzbergen?
Weil das Thorshühnchen sich für die Brutzeit richtig schön anzieht. Oder zoologischer ausgedrückt: Das Brutkleid des Thorshühnchens ist rostrot, wobei ungewöhnlicherweise beim Weibchen das Gefieder leuchtender gefärbt ist als das des Männchens. In einem sehr schönen Kontrast dazu trägt das Weibchen eine schwarzbraune, das Männchen eine hellere braune Kopfkappe. Der Schnabel ist gelb, die Spitze aber ist schwarz, und auch hier sind beim Weibchen größere Flächen gelb gefärbt, und insgesamt größer ist das Weibchen auch als das Männchen. Alles in allem also ein recht bunter Vogel.

Das Ruhekleid dagegen, also das Alltagsgefieder, das das Thorshühnchen außerhalb der Brutzeit – und damit außerhalb seines so weit im Norden liegenden Brutgebiets, aha! – trägt, ist bei Männchen und Weibchen gleichermaßen unauffällig weiß-grau. Die Brutgebiete liegen in Grönland, Kanada und Alaska, Island, Spitzbergen und Sibirien. Wer das Thorshühnchen also in all seiner Pracht sehen will, muss wohl oder übel recht weit nach Norden reisen.

Denn dahin fliegt das Thorshühnchen nach seiner Überwinterung vor den Küsten Südamerikas, Westafrikas und sogar Südafrikas. Ein richtiger Langstreckenflieger – Langstreckenzieher heißt das bei Vögeln korrekt – ist dieses kleine Vögelchen also.

Damit aber nicht genug. Das Thorshühnchen hat, wie eingangs erwähnt, noch einige andere Besonderheiten. Beim Brüten tauschen die Hühner nämlich die Rollen: Das Eierlegen ist traditionell noch die Aufgabe des Weibchens, vier Stück an der Zahl legen sie in der Regel ab. Aber dann übernehmen komplett die Männchen das Ausbrüten und auch die Pflege des geschlüpften Nachwuchses. Damit sind sie alles in allem etwas über einen Monat beschäftigt. Das Weibchen zeigt währenddessen noch ein bisschen ihr Prachtkleid und paart sich noch einmal – und sobald es die zweiten Eier abgelegt hat, macht es sich schon mal auf in den warmen Süden, während wieder das Männchen die Arbeit erledigt. Das Thorshühnchen hat also seine eigene Art, sich sein Leben schön zu machen.

Auch ansonsten fällt das Thorshühnchen manchmal auf: Es gehört nämlich zur Gattung der Wassertreter. Das hat wenig mit Kneipp zu tun, sondern mit der Art, wie Thorshühnchen zu ihrer Nahrung kommen: Manchmal kann man sie beobachten, wie sie auf dem flachen Wasser sitzen und sich sehr schnell im Kreis drehen. Das hat den Zweck, dass sie Nahrung vom Grund aufwirbeln wollen.

In Spitzbergen brüten die Thorshühnchen überall in Küstennähe, am häufigsten an der Westküste und der Nordwestecke. Mit ein bisschen Glück kann man sie also tatsächlich sehen, die kleinen Vögelchen, die nach dem großen Gott Thor benannt sind, dem Gott von Blitz und Donner. Vielleicht auch, weil dies ein solch martialischer Name ist, wird es zum Ausgleich Hühnchen statt Huhn genannt.

Wer hat schon eins gesehen?

Bis in zwei Wochen!

Eure
Birgit Lutz

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Aber nun zum Thorshühnchen. Das Tierchen mit dem putzigen Namen ist nicht besonders groß, rund 20 Zentimeter ungefähr und zwischen 40 und 80 Gramm schwer. Das allein lässt mich schon immer staunen: Etwas, das weniger wiegt als eine Tafel Schokolade, ist tatsächlich ein ganzes Lebewesen, und das fliegt dann auch noch von Spitzbergen nach Afrika. Genau das tun Thorshühnchen nämlich, aber der Reihe nach.

Warum kommen Vogelkundler wegen des Thorshühnchens nach Spitzbergen?
Weil das Thorshühnchen sich für die Brutzeit richtig schön anzieht. Oder zoologischer ausgedrückt: Das Brutkleid des Thorshühnchens ist rostrot, wobei ungewöhnlicherweise beim Weibchen das Gefieder leuchtender gefärbt ist als das des Männchens. In einem sehr schönen Kontrast dazu trägt das Weibchen eine schwarzbraune, das Männchen eine hellere braune Kopfkappe. Der Schnabel ist gelb, die Spitze aber ist schwarz, und auch hier sind beim Weibchen größere Flächen gelb gefärbt, und insgesamt größer ist das Weibchen auch als das Männchen. Alles in allem also ein recht bunter Vogel.

Das Ruhekleid dagegen, also das Alltagsgefieder, das das Thorshühnchen außerhalb der Brutzeit – und damit außerhalb seines so weit im Norden liegenden Brutgebiets, aha! – trägt, ist bei Männchen und Weibchen gleichermaßen unauffällig weiß-grau. Die Brutgebiete liegen in Grönland, Kanada und Alaska, Island, Spitzbergen und Sibirien. Wer das Thorshühnchen also in all seiner Pracht sehen will, muss wohl oder übel recht weit nach Norden reisen.

Denn dahin fliegt das Thorshühnchen nach seiner Überwinterung vor den Küsten Südamerikas, Westafrikas und sogar Südafrikas. Ein richtiger Langstreckenflieger – Langstreckenzieher heißt das bei Vögeln korrekt – ist dieses kleine Vögelchen also.

Damit aber nicht genug. Das Thorshühnchen hat, wie eingangs erwähnt, noch einige andere Besonderheiten. Beim Brüten tauschen die Hühner nämlich die Rollen: Das Eierlegen ist traditionell noch die Aufgabe des Weibchens, vier Stück an der Zahl legen sie in der Regel ab. Aber dann übernehmen komplett die Männchen das Ausbrüten und auch die Pflege des geschlüpften Nachwuchses. Damit sind sie alles in allem etwas über einen Monat beschäftigt. Das Weibchen zeigt währenddessen noch ein bisschen ihr Prachtkleid und paart sich noch einmal – und sobald es die zweiten Eier abgelegt hat, macht es sich schon mal auf in den warmen Süden, während wieder das Männchen die Arbeit erledigt. Das Thorshühnchen hat also seine eigene Art, sich sein Leben schön zu machen.

Auch ansonsten fällt das Thorshühnchen manchmal auf: Es gehört nämlich zur Gattung der Wassertreter. Das hat wenig mit Kneipp zu tun, sondern mit der Art, wie Thorshühnchen zu ihrer Nahrung kommen: Manchmal kann man sie beobachten, wie sie auf dem flachen Wasser sitzen und sich sehr schnell im Kreis drehen. Das hat den Zweck, dass sie Nahrung vom Grund aufwirbeln wollen.

In Spitzbergen brüten die Thorshühnchen überall in Küstennähe, am häufigsten an der Westküste und der Nordwestecke. Mit ein bisschen Glück kann man sie also tatsächlich sehen, die kleinen Vögelchen, die nach dem großen Gott Thor benannt sind, dem Gott von Blitz und Donner. Vielleicht auch, weil dies ein solch martialischer Name ist, wird es zum Ausgleich Hühnchen statt Huhn genannt.

Wer hat schon eins gesehen?

Bis in zwei Wochen!

Eure
Birgit Lutz