Das Ozonloch über der Antarktis hat dieses Jahr ungewöhnlich früh und schnell zu wachsen begonnen –vielleicht ist das wieder ein gutes Beispiel dafür, wie sehr alles mit allem zusammenhängt.
Wer auf den Siebten Kontinent reisen will, darf eines sowieso nie vergessen: Eine richtig starke Sonnencreme. Auch für die Lippen. Das habe ich selbst recht schmerzhaft lernen müssen, als ich eine Saison an der Antarktischen Halbinsel arbeitete und anfangs leider völlig verbrannte, weil mir diesen Umstand so genau niemand erklärt hatte.
Doch immer noch ist es leider so, dass der natürliche Schutzschild der Erde, die Ozonschicht, auch Jahre nach dem weltweiten Verbot von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKWs) ein saisonal immer wieder wachsendes Loch aufweist. Den Lichtschutzfaktor muss man dieses Jahr vor allem am Saisonbeginn nochmal erhöhen, denn das Loch ist in diesem Jahr besonders groß – und es gibt vielleicht auch eine Erklärung dafür.
Dass es über der Antarktis im südlichen Frühsommer ein Loch in der Ozondecke gibt, daran hat man sich – leider – gewöhnt. Seit den Achtzigerjahren bildet es sich von August bis Oktober, seine größte Ausdehnung erreicht es zwischen Mitte September und Mitte Oktober. Wenn die Temperaturen in der Stratosphäre der Südhalbkugel im dortigen Sommer steigen, wird der Ozonabbau langsamer und das Ozonloch schließt sich wieder.
Die Ursache dieses Ozonlochs ist folgende: Im südlichen Winter wird es über der Antarktis sehr kalt. Der Polarwirbel sorgt dafür, dass die Temperaturen über dem Kontinent auf unter -80 Grad Celsius sinken. Dabei bilden sich in den polaren stratosphärischen Wolken (die eine besondere chemische Zusammensetzung aufweisen) Eiskristalle, an denen sich Schadstoffe anlagern. Nach dem Sonnenaufgang verdunsten die Eiskristalle, Schadstoffe werden frei und reagieren mit dem Sonnenlicht. Es entstehen Radikale, die die Ozonmoleküle zersetzen. Diejenigen Schadstoffe, die diesen Effekt auslösen, sind die genannten FCKWs, die als Kühlmittel oder in Spraydosen verwendet wurden.
Als das Ozonloch entdeckt wurde, entwickelte es sich bereits rasant. Einer der größten Erfolge der Weltgemeinschaft war die vergleichsweise schnelle erste Reaktion auf diese Entwicklung: Schon 1987 einigten sich zahlreiche Länder im Montreal-Protokoll auf ein Ende der FCKWs. Die Anwendung der Stoffe sank in den Neunzigerjahren deutlich ab, 2010 wurde die Produktion von FCKWs schließlich weltweit verboten. Die positiven Folgen zeigten sich schnell: 2012 konnte man am Südpol erstmals die Umkehr des Effekts messen.
Doch die Schließung des Ozonlochs verläuft leider nicht linear. 2015 war es mit 26 Millionen Quadratkilometern beinahe wieder so groß wie im Rekordjahr 2006 mit 27 Millionen Quadratkilometern, danach aber wurde es wieder kleiner.
Bis zum Jahr 2023: In diesem Jahr hat es beinahe wieder einen Rekordwert erreicht, erneut ist es auf 26 Millionen Quadratkilometer angewachsen. Das besagt eine Mitteilung des Copernicus Atmosphere Monitoring Service (CAMS) der Esa. Es hatte Anfang August schon nicht gut ausgesehen, da das Loch früh anfing, zu wachsen, und dann sehr schnell immer größer wurde.
Was ist nun die Ursache für diesen immensen Anstieg, der beinahe alle „Heilung“ zunichte machte?
Mehrere Gründe können dafür verantwortlich sein. Zum einen ist das der enorme Ausbruch des Vulkans Hunga Tonga-Hunga Ha’apai auf Tonga im Januar 2022. Als dieser Unterwasservulkan eruptierte, lief die Druckwelle mehrmals um die Erde. Die enormen Kräfte, die dabei wirkten, beeinflussten sogar Funkwellen und Satellitensignale in der Atmosphäre.
Zudem schleuderte der Ausbruch viel Wasserdampf bis in die Stratosphäre. Dieser Wasserdampf erreichte die Südpolargebiete erst, als sich das Ozonloch 2022 bereits geschlossen hatte. Forscher vermuten nun, dass der Wasserdampf dazu beigetragen haben könnte, dass sich über dem Südpol verstärkt Wolken in der Stratosphäre bildeten – und genau in diesen Wolken wirken die FCKWs ja so schädigend auf das Ozon. Dafür spricht auch, dass auch im Jahr 2015, dem Jahr mit einem erneut großen Ozonloch, ein Vulkan ausgebrochen war, der Calbuco im Süden Chiles.
Sollte auch 2023 der Vulkanausbruch das große Loch verursacht haben, kann man 2024 wieder mit einer Erholung rechnen. Aber etwas anderes bereitet zunehmend Sorge: Einer Studie zufolge reichern sich erneut fünf verschiedene Typen langlebiger und Ozon abbauender FCKWs in der Atmosphäre an. Es handelt sich dabei um Stoffe, die nicht den Kontrollen des Montrealer Protokolls unterliegen. Diese Studie wurde im April 2023 in Nature Geoscience veröffentlicht. Auch der gemessene gestiegene Ausstoß von Dichlormethan trägt zum Ozonabbau bei, und auch dieser Stoff ist nicht vom Montrealer Protokoll betroffen.
Sollten diese Stoffe mitverantwortlich für die derzeitige Entwicklung sein, ist das Problem größer. Denn dann wäre die Eindämmung des Ozonabbaus ernstlich gefährdet und es gäbe auch deutliche Folgen für unser Klima. Denn ohne das Montreal Protokoll hätten FCKWs einen zusätzlichen Temperaturanstieg von 2,5 Grad bis 2100 bewirkt. Man müsste, sollte sich das Ozonloch 2024 nicht erholen, also spätestens dann über eine Erweiterung des Montrealer Protokolls nachdenken. Aber ob die Weltgmeinschaft noch einmal so schnell und umsichtig reagieren wird?
Es bleibt also weiter spannend mit dem Ozonloch – und Sonnencreme so wichtig wie eh und je.
Bis in zwei Wochen!
Eure
Birgit Lutz